0:45 Uhr, ein Altbau in der Mitte von Hamburg. Leise stecke ich die Schlüssel in die diversen Schlösser der Wohnungstür und öffne sie behutsam. Das klappt trotz der kleinen Weinschorle der zweieinhalb großen GinTonic noch ganz gut, registriere ich aufgeräumt. Leise öffne ich die Tür einen Spalt und trete ein. Die Dunkelheit umfängt mich sofort vollständig, nur durch die kleine Glasscheibe der Wohnzimmertür fällt ein dünner Lichtschein und malt ein diffuses Muster auf den Fußboden. Ich bleibe stehen und lausche. Sofort spüre ich, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmt. Dann fällt mein Blick auf das Kabel: Schwarz und irritierend lang ringelte es sich durch den Flur in Richtung Küche. Was machst du denn hier?, verhöre ich flüsternd das Kabel. Das Kabel macht allerdings von seinem Recht gebrauch, die Aussage zu verweigern und stellt sich stumm. Sehr verdächtig! Die Ms. Marple in mir streift schnell den altrosa Morgenrock ab und macht sich bereit für einen neuen Fall. Unverzüglich nehme ich die Verfolgung des verdächtigen Kabels auf.
In der Küche bietet sich ein kurioses Bild: Etwas wirklich Aussergewöhnliches muss passiert sein, denn am Ende des langen schwarzen Kabels befindet sich zu meiner großen Verblüffung … der Staubsauger. Ich nehme die Indizien auf: Staubsauger um Mitternacht in der Küche, sämtliches Leergut vom Boden entfernt, zwei Rollen Küchenpapier leer und ein verdächtig sauberer Fußboden. Ich lasse die Szenerie noch kurz auf mich wirken und bemerke, dass außerdem meine Lieblings-Vase auf geheimnisvolle Art und Weise verschwunden scheint. Da dringen leise Schreie und Kampfgeräusche an mein Ohr. Der Fall wird komplizierter, als gedacht …
Leise schleiche ich zurück durch den Flur, darauf bedacht, auf keine der quietschenden Bodendielen zu treten. Ich erreiche lautlos die Wohnzimmertür und lege mein Ohr an das Holz. Die verdächtigen Geräusche kommen eindeutig aus diesem Zimmer. Meine Hand liegt auf der Klinke … Mit einem Ruck reiße ich die Tür auf und starre in die schreckgeweiteten Augen des Mörders des Mannes. Auf dem flackernder Fernseher erscheint in blutroter Schrift „DU BIST TOT!”.
Unter meinem strengen Blick und der übermächtigen Beweislast legt der Verdächtige unverzüglich den Controller der Playstation aus der Hand und ein umfassendes Geständnis ab: Er hatte an diesem Abend meine Vase gemeuchelt. Die Tatwaffe war eine volle Flasche Wodka, die er mit einigem Aufwand heimtückisch in das überfüllte Eisfach des Kühlschranks gedrückt hatte. Als die Tür des Eisfachs dann später geöffnet wurde, fiel die Flasche unaufhaltsam von oben auf das arme Opfer und zerschmetterte es sogleich in 1000 Splitter. Raffinierterweise zerstörte sich die Tatwaffe auch gleich selbst, der kristallklare Inhalt verteilte sich großflächig und sorgte für ein verwirrendes Chaos, das alle Tatspuren verwischen sollte.
Ein fast perfektes Verbrechen. Nur ein kriminalistisch erfahrener Kopf konnte ihm letzendlich doch auf die Schliche kommen. Denn dem Täter war ein kleiner, folgenschwerer Fehler unterlaufen: Er hatte ein scheinbar normales Haushaltsgerät am Tatort zurück- und den Stecker in der Steckdose belassen. Und zu saubere Küchenfußböden sind sowieso grundsätzlich verdächtig.
Auch wenn der Fall restlos aufgeklärt werden konnte, tröstet das nicht so leicht über den Tod eines geliebten Dekorationsartikels hinweg. Ich werde noch ein wenig brauchen, um den Verlust ganz zu begreifen. Dafür habe ich mich in mein Refugium zurückgezogen und rekonvalesziere mit dem einzigen, das bei der Verarbeitung dieses schrecklichen Verbrechens helfen kann: stark erhöhte Dosen von gebackener Schokolade.
Schokoladenmalheur
Schokoladenmalheur ist genau das: Ein warmes, zart hingehauchtes Schokoladenküchlein mit einem flüssigen, üppigen Kern. Schokoladenmalheur ist also das Mittel der Wahl gegen Liebeskummer, eine dauermiese Woche, Schlechtwetter-Depression, Menstruationsbeschwerden und gemeinen Vasenverlust. Der grandios konzentrierte Geschmack von dunkler Schokolade macht sofort glücklich und maximale Komfort-Gefühle. Und was sich wie unerreichbar hohe Patisserie-Kunst anhört, ist tatsächlich verblüffend einfach: Mit fünf Zutaten und einem lockeren Handgelenk kommt man ganz leicht in den Schokohimmel. Das narrensichere Rezept habe ich übrigens auf der Homepage der großartigen Foodzeitschrift Effilee gefunden.
Und so geht´s für 4 Schokoladenmalheurs:
100 g dunkle Schokolade 70% in einem kleinen Topf oder über dem Wasserbad sanft schmelzen lassen. Mit 100 ml mildem Olivenöl gut verrühren und zur Seite stellen. 2 Eier, 2 Eidotter, 1 Prise Salz und 2 EL Rohrohrzucker mit einem Schneebesen von Hand ca 1 Minute schlagen, bis eine helle, dicke Masse entsteht. Die Schokoladen-Öl-Mischung mit dem Schneebesen sorgfältig unter die Eimasse ziehen. 2 gehäufte TL Mehl ganz kurz unter die Schokomasse rühren.
4 kleine Förmchen ausbuttern und mehlen. Die Schokomasse auf die Förmchen verteilen und für mindestens 15 Minuten in den Kühlschrank stellen.
Den Ofen auf 210 Grad Ober-Unterhitze gut vorheizen und die Schokoladenmalheurs ca. 8 Minuten backen. Dann aus dem Ofen holen, 1 Minute ruhen lassen und die Ränder mit einem Messer vorsichtig von der Förmchen lösen. Die Schokoladenmalheurs aus den Förmchen stürzen und auf Teller sezten. Mit Puderzucker bestäuben und nach Belieben pur, mit Vanilleeis oder Sorbet servieren. Ein Gläschen Champagner ist natürlich auch nie verkehrt.
Tipps über Tipps:
- Die befüllten Förmchen können auch für mehrere Stunden im Kühlschrank aufbewahrt werden, bevor sie in den Ofen kommen. Das ganze lässt sich also sehr praktisch und stressfrei vorbereiten.
- Wer keine Souffléförmchen hat, nimmt einfach ofenfeste Schälchen oder Tassen – das geht genau so gut.
- Die Eimasse sollte auf jeden Fall nur mit dem Schneebesen von Hand geschlagen werden. Ein elektrisches Handrührgerät oder eine Küchenmaschine bringen zu viel Luft in die Masse – die Küchlein könnten dann beim Backen platzen.
- Bleiben die Schokoladenmalheurs länger im Ofen, werden sie zunächst zu Soufflé (nach ca. 10- 15 Minuten) und später zu Küchlein mit leicht feuchtem Kern (ca. 20 Minuten).
:D – made my day!
Mein herzliches Beileid zur verlorenen Vase.
Ich hoffe, das Schokomalheur tröstet dich schnell über den Verlust hinweg ;)
VG Sarah
Ich bin gestorben und im Schokoladenhimmel erwacht. So und nicht anders muss es sein.
Ich gebe die Schokoküchlein immer ins Eisfach… dann gelingt das mit dem flüssigen Kern noch bessern. Da kann man sich sicher sein, dass die “Außenhülle” fest ist und innen die Schoki noch flüssig.
ohhhhhh, sieht das lecker aus! und der fertige einkaufszettel ist ja klasse! :-)
lg, eva
Klingt geil – nur beim Olivenöl habe ich gestutzt. Schmeckt man das raus, oder braucht’s das nur für die Konsistenz? Alternativ Butter?
Hallo Philip, Du kannst auch die gleiche Menge Butter verwenden. Aber das Olivenöl macht die Konsistenz fluffiger und bring noch besser den Schokoladengeschmack raus – ohne abzulenken ;-). Das Öl an sich schmeckt man nach dem Backen gar nicht raus.
Auch schon gebacken – die Teilchen sind super. Ergebnis hängt allerdings mit vom jeweiligen Backofen ab….
Merke: Das starke Geschlecht kann einfach kein perfektes Verbrechen verüben. Frauen offensichtlich schon. UND dann noch Schokoküchlein backen. Ich hab’s immer gewusst, dass wir die besseren Männer sind.
Kauft er Dir jetzt wenigstens ne neue Lieblingsvase?
Nach einem mäßigen Nachmittag mit dem glücklosen Versuch dem mittleren Kind die Kunst der Gedichtanalyse expressionistischer Stadtgedichte nahezubringen, habe ich mich aufs Sofa gefläzt und diesen wunderbaren Eintrag gelesen. Jetzt geht es mir besser! Danke!
Mit Wodka den Fussboden zu desinfizieren ist zwar etwas elitär, dafür aber garantiert ökologisch…
könnte man das auch in einer normalen Springform als ganz flache Schokosünde mit flüssigem Kern backen, liebe Mel? und was müsste man noch verändern?
Hallo Han, für eine normale Springform müsstest Du auf jeden Fall die Teigmenge verdoppeln und die Backzeit verlängern. In der Regel ist das Malheur fertig, wenn die Oberfläche nicht mehr feucht glänzt. Ich wünsch Dir viel Spaß und sag Bescheid, wie es war ;-)
hab leider kein mildes olivenöl da.
muss jetzt aber dringend dieses zeug backen!
nehme butter.
werde der welt vom ergebnis berichten, falls ich überlebe.
quel malheur!
hammmmmmmmmmmmmer!
merci bien!
WOW, tolle Bilder. Da bekommt man sofort hunger und Lust auf Schocki.
Wow…das ist mein wahrgewordener Schokoladentraum!:D Überall Schokoo, der Wahnsinn*g* Werde ich auf jeden Fall nachbacken:) Viele Grüße aus dem schönen Kalterersee, Luana.