„Meine Damen und Herren, bitte bringen Sie Ihre Sitzlehnen wieder in eine aufrechte Position und klappen Sie die Tische vor Ihnen hoch. Wir beginnen jetzt mit unserem Landeanflug auf Nizza.” Gibt es eine Aufforderung, der man noch lieber nachkommen würde? Nizza: eine Woche Sonne tanken an der Cote d´Azur, durch die Stadt bummeln, sich im südlichen Flair treiben lassen und natürlich sämtliche regionale Spezialitäten rauf und runter probieren.
Gerade schwebt man noch sanft über die schneebedeckten Alpen hinweg und gefühlte 5 Minuten später sieht man Jachten, große und kleine Schiffe und riesige Fähren durch das blauen Meer pflügen. Flugreisen haben ja immer etwas Surreales – nach zwei Stunden Flugzeit befindet man sich in einem komplett anderen Setting. Mein Kopf hinkt da gern ein bißchen hinterher und braucht ein paar Stündchen, um “richtig” anzukommen.
Aber es besteht kein Zweifel und auch mein Kopf nickt schließlich zustimmend: Wir sind in Nizza gelandet.
Sollte man einen großen, pompösen Flughafen erwartet haben, ist man sicherlich von den kleinen, zurückhaltenden Gebäuden etwas überrascht. Auf dem Rollfeld davor parken ein paar größere Verkehrsmaschinen und die unvermeidlichen Privatjets. Wir haben gleich ein Ranking der hübschesten aufgestellt und uns in ein schnittiges, dreidüsiges Modell in gediegenen Brauntönen verliebt.
Sofort nach dem Verlassen des Flugzeuges spürt man die Wärme und das freundliche Klima. Ein leichtes Seufzen geht durch die Passagiere – alle scheinen genau darauf gewartet zu haben.
Am Gepäckband folgten dann 25 langatmige Minuten. Das quietschende und rödelnde Band spuckte tatsächlich höchstens 5 Koffer in 5 Minuten aus. Wahrscheinlich muss in Nizza ein einzelner gebeutelter Mitarbeiter zu Fuß die Gepäckstücke über das Rollfeld zerren. Anders ist die Sache nicht zu erklären. Allerdings wurden wir in der Zeit sehr gut unterhalten. Mit im Flieger saß nämlich eine ehemalige Kandidatin von Germany´s next Topmodel, die schon im Fernsehen immer nicht besonders sympathisch rüberkam. Und tatsächlich stolzierte Madame nun im goldenen Lurex-Pullöverchen mit einem Smartphone in der einen und einer überdimensionierte Tasche in der anderen Hand, am Laufband auf und ab. Dabei gurrte und kicherte sie so laut in ihr Handy, dass einem keine andere Wahl blieb, als alles mitzuhören. Einer unserer Lieblingssätze war “Essen? Ich bin ein Model. Ich esse nicht. Einfach ne Flasche Schampus – hahahaahaahaaa – und alles ist gut. Haahahaahaaaa!” Wenn das die Heidi wüsste, würde die sich bestimmt genau so fremdschämen wie wir. Lebendige Klischees – toll!
Dann kommen unsere Koffer doch noch auf dem quietschenden Band angefahren und es geht im Taxi Richtung altes Hafenviertel. Dort haben wir uns eine Wohnung in einem ganz normalen Mietshaus ausgetrüffelt. Ein Blick aufs Klingelschild – das sind also unsere Nachbarn für die nächste Woche.
Wir arbeiten uns mit unserem Koffern in den 6. Stock vor. Das Treppenhaus – in der ersten drei Geschossen noch mit Mamor ausgestattet – wird nach oben hin immer ursprünglicher. Ab der 4. Etage gibt es Schieferplatten als Treppenstufen und ganz oben Holzstufen mit entzückenden roten Fliesen. Wir sind in unserem Appartement angekommen. Der erste Blick von der Terrasse macht klar: Wir wohnen tatsächlich über den Dächern von Nizza zwischen pittoresken Kaminen und einer Menge antiquierter TV-Antennen. Und das Blaue am Ende der Straße ist DAS MEER.
Der Blick auf der anderen Terrassenseite geht deutlich weiter bis auf den Mont Alban. Nette Nachbarschaft, das. Nach einer kleinen Verschnaufpause machen wir uns direkt auf den Weg. Wir wollen Nizza entdecken! Der Jachthafen liegt nur ein paar Gehminuten entfernt und schindet mit den schnittigen Jachten mächtig Eindruck.
Wir laufen auf der “Promenade des Anglais” weiter, an dem imposanten Kriegsdenkmal vorbei, biegen um eine Ecke und bleiben verzückt stehen. Vor uns breitet sich das Panaroma von Nizza aus.
Die “Promenade des Anglais” zieht sich bis zum Horizont an der Bucht entlang. Der ursprünglich von den ersten englischen Touristen als karitative Maßnahme angelegte Kieselweg, ist heute eine ausgebaute Straße am Strand entlang. Hier liegen nicht nur viele imposante Hotels und Gebäudekomplexe, Einheimische wie Touristen spazieren gern die Promenade entlang, entspannen, schauen aufs Wasser oder fahren Inslineskates mit der ganzen Familie.
Die fest installierten blauen Stühle mit Blick auf das Wasser werden sehr gern für kleine Ruhepausen, Picknicks und zum Lesen genutzt. Auch wir machen eine kleine Pause und beobachten das ruhige Meer und Sportboote mit Paraglidingschirmen.
Danach biegen wir in die Altstadt ab und stoßen auf einen fantastischen Laden:
Hier fühlt man sich plötzlich wie eine 5-Jährige im Süßigkeitenhimmel. Im Schaufenster werden die unglaublichsten Köstlichkeiten feil geboten. Die für die Region berühmten kandierten Mandarinen liegen zwischen Unmengen buntem Zeugs. Man weiß gar nicht, was das alles ist – aber es sieht alles zum Umfallen köstlich aus. Wir müssen uns ein bißchen damenhaft zusammen reißen, um nicht unsere Nasen an der Scheibe platt zu drücken. Ein großartiger Anblick, den man sich ausgiebig gönnen sollte.
Canel
Maitre chocolatier-Chocolateries, confiseries
21 rue France NICE 6000 France
Tel : +33 493880329
Es wird langsam Abend und wir lassen uns durch die lebendige Stadt treiben. Es sind wahnsinnig viele Leute auf der Straße, trotzdem strahlt die Stadt eine große Ruhe und Gelassenheit aus.
Wir lassen uns in einer kleinen Straßenbar nieder und beobachten bei einem Gläschen Rosé den Verkehr und die Fußgänger um uns herum. Dann bekommen wir Hunger und folgen einer Empfehlung aus unserem Reiseführer: Das L`Ovale sei für das junge, studentische Publikum und das sehr schmackhafte authentische französische Essen bekannt. Da müssen wir hin.
Das Abendgeschäft im L´Ovale startet um 19:30 Uhr und wir gehören zu den ersten Gästen. Wir ergattern einen hübschen kleinen Tisch für zwei direkt am offenen Fenster. Der Kellner zeigt sich von seiner charmantesten Seite und wir entscheiden uns für einen Salat Nicoise als Vorspeise und Coq au Vin als Hauptgang. Dazu ordern wir ein Fläschchen Rosé.
Es kommen immer mehr Gäste – aber lustigerweise bleiben wir die Jüngsten. Die Studenten des Viertels lassen offenbar auf sich warten. Der Altersdurchschnitt ist deutlich 50+. In diesem Punkt irrt also der Reiseführer. Bei der Qualität der Speisen allerdings hält er sein Versprechen. Der Salat Nicoise ist liebevoll angerichtet, sehr reichhaltig und lecker. Ein guter Start in den Abend.
Das Coq au Vin für 2 wird in einer großen Tonschale serviert und duftet himmlisch. Geschmorte Hähnchenteile und Kartoffeln sind mit der kräftigen aromatischen Soße überzogen. Dazwischen stößt man immer wieder auf Stücke von gestreiftem Speck. Wir schmausen und leeren dabei unsere Flasche Rosé.
Am Nebentisch hat ein norwegisches oder dänisches Paar Platz genommen. Ihnen wird als Vorspeise die größte Wurstplatte serviert, die wie je gesehen haben. Wir sind stark beeindruckt und dem Paar geht es genau so. Fassungslos und hilflos blicken sie auf die kunstvoll arrangierten Salamis, Pasteten, Sülzen und Patés. Unsere Blicke treffen sich und wir lachen alle angesichts der absurden Menge laut los. Später stellt sich heraus, dass die Platte nicht für eine oder zwei Personen gedacht ist, sondern den Abend über als festes Arrangement immer wieder an verschiedene Tische gebracht wird. Wir sind erleichtert über die Wurstwanderplatte und beschließen den Abend im L´Ovale mit einem nicht weniger großzügig bemessenen Birnenbrand im Cognacschwenker *hicks*.
Bonne nuit.
L´Ovale
29 rue Pastorelli
NICE 6000 France
Tel. +33 493803165
Liebe Mel, wie schön so ausführlich über den ersten Abend in Nizza zu lesen, herzlichen Dank! Weiter so und noch viel Spaß! Liebe Grüße, Gabis Mum.