„En beten scheef hett Gott leef!” – das plattdeutsche Sprichwort wurde garantiert für die Oberhafenkantine erfunden: Das kleine, zweigeschossige Restaurant mit Aussenklo klebt krumm und geduckt unter einer Eisenbahntrasse, innen ist kein Winkel gerade und sogar die Lampen hängen schief von der Decke. Und auch der Charme des Servicepersonals ist mitunter echt schräg.
Unser erster Besuchs-Versuch endet daher auch direkt in einem gastronomischen Desaster: Der Mann und ich haben uns mit der Navigation unserer iPhones tapfer durch die Hafencity Richtung Oberhafenkantine vorgearbeitet. Wir haben das als „kleinen Sonntagsspaziergang” geplant. Allerdings verlieren wir in dem neu erschlossenen Stadtteil kurz die Orientierung und irren ein bißchen durch die Gegend.
Unsere Telefone scheinen sich nicht in allen Punkten der Strassenführung einig zu sein – aber so etwas kann ein Paar in einer stabilen Beziehung ja nicht aus der Ruhe bringen. Oder nur ein ganz klein wenig. Irgendwann sind wir auf jeden Fall knapp davor, umzukehren. Wo ist bloss diese verflixte Oberhafenkantine? Dann sagen die iPhones plötzlich unisono, wir sollen eine Strasse nehmen, die direkt in eine Baustelle zu führen scheint.
Auch wenn man zwischendurch das Gefühl hat, direkt ins Nirgendwo zu laufen, die Oberhafenkantine liegt tatsächlich ganz klein am Ende dieser Strasse. Wir schöpfen Hoffnung! Inzwischen sind wir sehr hungrig, sehr durstig und brauchen dringend mal einen Sitzplatz. Erwartungsvoll lächelnd öffne ich schwungvoll die Tür und nehme die drei kleinen Stufen nach oben.
„Nee!!!”, schallt es mir da lautstark und aufgebracht entgegen. „Das kann ich Euch gleich mal sagen! Das wird wird hier heute überhaupt nix! Wir sind voll!!!” Mein erwartungsvolles Lächeln fällt aus meinem Gesicht und verliert sich irgendwo auf dem Fußboden. Ich bin … überrascht. Ich blicke mich um, ob vielleicht jemand anderes gemeint war …? Nein, ganz klar. Wir sind gemeint. Hinter mir höre ich, wie der Mann kommentarlos die drei Stufen nach unten stürmt und die Tür hinter sich vielleicht eine kleine Spur zu stürmisch schliesst. Für ihn ist die Sache bereits an dieser Stelle erledigt. Er ist da konsequent. Aber ich bin nicht bereit, so schnell aufzugeben – schließlich ist das Essen ja schon in Riechweite. Und es riecht gut.
Ich schaue mir den jungen Mann hinter der Theke genau an. Er ist höchstens Anfang 20 und hat die Panik in den Augen. Ein klarer Fall von totaler Überforderung. Da kehrt man jetzt am besten mal die mütterliche Seite nach vorn und versucht es mit Ruhe und Geduld. „Guten Tag erstmal” sage ich lächelnd. „Und vielen Dank für den herzlichen Empfang”. Der Blick von unserem Rumpelstilzchen flackert – er scheint in die Realität zurück zu finden. „Ach, Entschuldigung”, sagt er. Das tut mir jetzt leid. Aber heute ist es so voll und es wird immer voller wir kommen gar nicht hinterher. Ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht.” Sehe ich da ein Träne in seinem Augenwinkel? Vielleicht habe ich mich auch getäuscht.
An diesem Tag ist nichts zu machen. Es gibt keinen Tisch, alles ist voll oder reserviert und wir haben – nein leider – keine Lust, das Essen auf der Bordsteinkante sitzend einzunehmen. Der Mann ist muksch und ärgert sich still aber deutlich vor sich hin. Unsere Mägen knurren immer lauter und so beschliessen wir, in den nächstbesten Burgerladen einzufallen und den nahen Hungertot effektiv abzuwenden. Sonntag, eigentlich hatte ich etwas anderes von dir erwartet.
Da ja aber jeder bekanntlich eine zweite Chance verdient hat, machen machen wir uns zwei Wochen später wieder auf dem Weg zur Oberhafenkantine. Ich bin maximal vorbereitet, habe bereits eine Woche zuvor einen Tisch bestellt und diesen kurz vorher auch noch einmal telefonisch bestätigt. Das Kind ist übrigens auch mit dabei. Tatsächlich läuft dieses Mal dann auch alles ziemlich prima: Wir finden den Weg, werden angemessen begrüßt, mögen unseren Ecktisch, finden das Speisenangebot lecker und freuen uns auf das Essen.
Und das Essen – das ist richtig gut. Üppige, dampfende Teller werden vor uns auf den Tisch gestellt. Wir probieren das grandios rosa gebratenes Kotelett mit Bratkartoffeln und Sauerkraut (14,50 Euro), eine wunderbar lockere hausgemachte Frikadelle mit Kartoffelsalat (7,50 Euro) und einen richtig guten Salat mit gratiniertem Ziegenkäse und einem großartigen Dressing (7,50 Euro). Das Kind steht auf die Bratwurst auf Brot mit Bratkartoffeln. Zum Nachtisch gibt es noch ein verschleiertes Bauernmädchen, Cappuccino für die Erwachsenen und einen Kakao mit viel Milchschaum für das Kind. Die Familie ist glücklich.
Wir können nicht anders – wir lieben diese urige Hausmannskost im skurrilen Umfeld.
Einen kleinen Zwischenfall gibt es dann doch noch: Gäste, die sich Getränke nach draussen mitnehmen wollen, sollen passend bezahlen. „Weil meine Kollegin irgendwie das Portemonnaie mitgenommen hat und ich jetzt kein Wechselgeld habe”, sagt der junge Mann hinter der Theke. Wir lächeln amüsiert, denn wir sind heute satt und zufrieden.
Oberhafenkantine
Stockmeyerstraße 39
20457 Hamburg
Tel. 040 32527414
Karten: nein
www.oberhafenkantine-hamburg.de
Mo.–Sa. 12 bis 22 Uhr, So. bis 18 Uhr;
Sitzplätze drinnen unbedingt reservieren.
Info: Für das Stadtmagazin Szene Hamburg habe ich fünf angesagte Hamburger Restaurants getestet.
Hier geht´s zum Artikel über das Slim Jims.
Ich fahre in zwei Wochen nach Hamburg und springe deswegen immer wieder auf Restaurantvorstellungen von dort an. Vielen Dank für deinen Post, der mal wieder super tolle Bilder hat!
Danke Tonia ;-) Wenn Du noch weitere Tipps brauchst, melde Dich gern bei mir per E-Mail. Liebe Grüße!
Ach Mel, wieder so ein Kracher.
Wird gemerkt!