Osnabrück. Zum ersten Mal bin ich nicht nur in einem ICE durch den Bahnhof gebrettert, sondern tatsächlich ausgestiegen. Eine Sache, die ich jedem vorbehaltslos empfehlen kann, denn Osnabrück hat wirklich entzückende Ecken, die entdeckt werden wollen. Heute steht für mich aber nicht Sightseeing auf dem Programm, sondern etwas ganz besonderes: Ich werde zum ersten Mal in meinem Leben in einem 3-Sterne-Restaurant essen. Hach!
Ein Taxi fährt mich vom Bahnhof in die Altstadt bis knapp vor die Tür des la vie. Seit 2006 existiert das von Spitzenkoch Thomas Bühner und Restaurantleiterin Thayarni Kanagaratnam geführte Haus, das mit einer beachtlichen Liste von Auszeichnungen aufwarten kann: 3 Michelin Sterne, 19 Punkte im Gault Milau, 5 von 5 F´s im Feinschmecker, 10 von 10 Pfannen im Gusto und 5 von 5 Sternen bei Varta wurden dem la vie verliehen. Respekt.
Ich bin sehr gespannt, als ich an der Fassade des klassizistischen Gebäudes aus dem 18. Jahrhundert hochschaue. Was wird mich hier heute in diesem Mekka für Feinschmecker erwarten?
Ich halte kurz Zwiesprache mit dem Universum und ersuche dringend darum, dass sich nicht nur Austern, Kaviar und unausprechliche Dinge aus dem Meer auf meinen Tellern tummeln mögen. Da bin ich irgendwie empfindlich. Das kann ich nicht essen.
Ich tröste mich schnell: Wenn alle geschmacklichen Stricke reissen, kann ich ja – natürlich äußerst damenhaft – immernoch eine Menge Brot mit Olivenöl und Weißwein verdrücken. Das heutige Menü steht nämlich ganz im Zeichen von spanischem Olivenöl.
Thomas Bühner ist Botschafter für Olivenöle aus Spanien und das la vie ist eines von 20 Spitzen-Restaurants, die an dem Projekt Olivenöle aus Spanien – Die Deutschlandtour teilnehmen. Die Köche haben sich, jeder in seinem eigenen Stil und Umfeld, vom Olivenöl inspirieren lasssen und besondere Gerichte komponiert. Ich wurde von dem Zusammenschluss Olivenöle aus Spanien eingeladen, heute das Menü von Thomas Bühner zu erleben.
Und wer jetzt denkt, dass das ganze irgendwie ein bißchen langweilig ausfallen könnte (Olivenölflasche auf und rauf auf´s Essen), wird entzückt sein zu erfahren, dass es über 260 verschiedene Sorten Oliven gibt. Jede Sorte und die Zusammenstellungen von verschiedenen Sorten ergeben Olivenöle mit ganz unterschiedlichen Aromen und Geschmacksrichtungen. Das klingt doch schon wieder mehr nach 3-Sterne-Küche.
Also: Auf geht´s!
Ich und mein kleines schwarzes Hängerchen öffnen die Glastür und betreten den in dunklen Holztönen gehaltenen Empfangsbereich des la vie. Links warten dunkle Ledersessel auf Besucher im Loungebereich, rechts erkenne ich hinter einer Glasscheibe einen riesigen Wein- und Humidorschrank. Und da kommt auch schon ein junger Mann im dunklen Anzug, begrüsst mich sehr nett und höflich, nimmt mir meinen Mantel ab und bugsiert mich ich einen der dunklen Ledersessel. Offenbar bin ich der erste der heutigen Gäste. Mit wird eine Erfrischung (Kaffee oder Champagner) angeboten und ich entscheide mich ausnahmsweise ganz vernünftig für einen Cappuccino. Nicht, dass ich schon angetüdelt aus dem Sessel falle, bevor alle Gäste angekommen sind, nech.
Und dann klappt ein paar Mal die Tür auf und zu und plötzlich sind alle Gäste da: Ein Mitarbeiter des Feinscheckers (kein Link weil keine Homepage), der Gründer des Four Magazines, eine Vertreterin des Zusammenschlusses Olivenöle aus Spanien, Carola von der Agentur – und ich.
Jetzt wird für alle Champagner serviert (sehr gut), Thomas Bühner schaut vorbei und plaudert ein bißchen mit uns, bevor er sich wieder entschuldigt und in die Küche zurückkehrt. Dafür erscheinen mehrere Mitglieder des Service und kündigen eine kleine Auswahl von Amuse bouche an. Leider kann ich mich nicht mehr an die relativ lange und fantastisch klingende Aufzählung der verschiedenen Bestandteile erinnern – ich bin nämlich ganz in die Betrachtung der drei kleinen Schüsselchen und Tellerchen vertieft.
Besonders die kleine frittierte und schokolierte Alge in etwas von der Gans und einem Gelee hat es mir angetan. Es ist winzig, wunderschön und wahnsinnig lecker.
Dann begeben wir uns in der Begleitung des Service in den ersten Stock des la vie. Hier ist ein Tisch in einem kleinen Speisezimmer gedeckt.
Die Stühle werden uns zurechtgerückt und wir nehmen Platz. Ich werfe einen Blick in die von Thomas Bühner handsignierte Menükarte und scanne kurz die verschiedenen Gänge. Sie klingen von den Zutaten her erfreulich bodenständig und ich weiß, dass ich heute sicherlich nicht nur Weißbrot verspeisen werden.
Dann kommt mein persönliches Highlight: Ein Servicemitarbeiter erscheint dezent an meiner linken Seite und fragt, „ob die Dame eventuell einen Handtaschenständer wünsche”. Einen Handtaschenständer? Ich bin entzückt! Ich besitze zwar einen dieser Queen-Lissy-Tischhaken für teure Täschchen – aber ein ganzer Ständer ist natürlich etwas ganz anderes. Da ich heute eine riesige LKW-Planen-Bag von Freitag dabei habe (Kamera und Zubehör an Bord), erfüllt der Ständer zwar nicht so ganz seine erhabene Funktion – die Tasche steht wegen des langen Henkels und ihrer Größe weiterhin auf dem Boden – aber darüber sehen wir jetzt einfach mal hinweg.
Die Atmosphäre bei Tisch ist sehr entspannt und unverkrampft und wir plaudern über dies und das – und natürlich über Olivenöl. Der Herr zu meiner Rechten ist einer der Juroren bei der jährlichen Olivenöl-Degustation des Feinschmeckers und unterhält uns mit seinem umfassenden Hintergrundwissen. Er erzählt uns, dass er hunderte Sorten von Olivenöl ähnlich wie Wein verkostet, um die Qualität, den Geschmack und weitere Kriterien beurteilen zu können.
Olivenöl ist besonders, da es aus einer Frucht und nicht aus einem Samen gewonnen wird. Bei Spanischem Olivenöl unterscheidetet man diese vier wichtigsten Sorten, die auch im Menü von Thomas Bühner zum Einsatz kommen:
Arbequina:
Grünliche Oliven, leicht auch hinsichtlich der Bitterkeit. Ausgewogen und süß. Mit Aromen von gründer Mandel und anderen Früchten (Artischocke, Apfel und Tomate). Verwendung empfohlen für Hühnchen, Fisch, Meeresfrüchte, Kartoffeln und Gemüse. Auch für Desserts geeignet.
Picual:
Der Name ist von der Form dieser Olivenfrucht abgeleitet. Es ist ein vollmundiges, bitteres und würziges Olivenöl mit leicht holziger Note. Besonders empfohlen zu rotem Fleisch und Gemüse.
Hojiblanca:
Besitzt ein weites Spektrum an Aromen. Am Anfang ist es süß, es riecht nach grünem Gras und hat einen leicht bitteren und leicht brennenden Abgang mit einem Feinschliff von Mandeln. Äußerst empfohlen zu Lamm oder Schwein, Fisch, Meeresfrüchten und einigen Gemüsesorten wie etwa Spargel. Passt perfekt zu Reis.
Cornicara:
Ein bitterer und brennender Geschmack findet hier den perfekten Einklang. Eine sehr gute Wahl für Gebratenes aus dem Ofen.
Und dann ging es los mit einem wirklich wunderbaren Menü:
Das Menü „Le Grand Chef” von Thomas Bühner im la vie
Carpaccio von geräucherter Melone, Wildkräuter, Parmesancrème
mit Picual Olivenöl
dazu Champagner
Ich habe mich in eine Melone verliebt! Thomas Bühner erzählt uns später, dass das Rezept eigentlich von einem anderen Koch stammt, ihm aber so gut gefiel, dass er es auch umsetzen wollte. Die Melone wird vakuumiert, getrocknet, wieder vakuumiert, geräuchert und bekommt dadurch eine ganz großartige, fast schinkenähnliche Konsistenz und ein ungeheuer volles Aroma. Die Wildkräuter und die Parmesancreme sorgen zusätzlich für kleine Geschmacksexplosionen.
Gazpacho Rote Beete, Auster, Safranaal, Wildkräuter
mit Picual Olivenöl
dazu 2012 Silvaner trocken -350 N.N., Odinstal / Pfalz
Ich liebe Rote Beete. Und ich habe sogar die Auster probiert. Jawoll!
Laumwarm gegarter Lachs mit Fenchel, Hojiblanca Olivenöl, Forellenkaviar
dazu 2011 GURU, Wine & Soul / Douro
Der Knaller bei diesem Gericht waren die superknusprigen, Mini-Mini-Mini-Olivenöl-Croutons. Thomas Bühner hat uns später den Trick verraten: Die Croutons werden zuerst sehr fein geschnitten (was für eine unglaublich Arbeit!), dann getrocknet und zum Schluss in Olivenöl gewendet. So bleibt der frische, grüne Geschmack des Öls erhalten und es knuspert ganz wunderbar bei jedem Bissen.
Ein großartiger Wein. Bitte einen Jahresvorrat davon zu mir nach Hause. Danke.
Bretonische Rotbarbe (rund), Artischocke hoch 3 & Zuckerschoten
mit Arbequina Olivenöldazu 2010 Blanc -Palette-, Chateau Simone / Provence
Ich und der Fisch – Barben sind für mich auch eher schwierig. Ich habe hier voller Genuss die Hälfte vom Rundstück geschafft. In die Dreifaltikeit der Artischoke kann man sich reinlegen.
Steinbutt, 2 x Brokkoli und Dampfnudel, Jabugo Schinken – auch als Fond
mit Hojiblanca Olivenöl
dazu Brut Apanage Prestige, Pommery / Champagne
Ich liebe Kichererbsen! Und ich war erstaunt, sie auf einem so entwickelten Teller zu finden. Wunderbar mit dem Schinken und dem Steinbutt. Großartig auch der sehr, sehr, sehr aromatische Schinkenfond, der als Shot dazu gereicht wurde.
In bester Knipps-Gesellschaft: Auch das Four Magazine hält jeden Teller fotografisch fest.
Kartoffel-Olivenölschaum mit Kürbis-Curryeis
mit Arbequina Olivenöl
dazu Brut Apanage Prestige, Pommery / Champagne
Sanft, würzig, cremig, schmelzend – eine kurze Entspannung für den Gaumen. Dazu haben wir unterschiedliche Olivenöle verkostet. Es ist erstaunlich, wie deutlich die Unterschiede sind, wenn man bewusst darauf achtet. Mein Liebling: Das scharfe Cornicabra.
Ibérico Schwein (Presa & Kinn), Paprika Kartoffeln, Butterbohnen und Pesto, Tamarinde
mit Cornicabra Olivenöl
dazu 2010 Nuits-Saint Georges, Domaine Forey / Burgund
Fleisch. Und was für eins. Perfektestens gegart und in der Kombination mit Tamarinde unschlagbar. Kann man sich für immer von a) Melone und b) Iberico ernähren?
Olivenöl-Madeleis, grüner Apfelgelee
mit Arbequina Olivenöl
dazu 2012 Rieslaner Auslese, Ellermann-Spiegel / Pfalz
In dieser kleinen Spaghettieis-Anordnung versteckt sich Olivenöl. Zusammen mit dem frischen Apfelgelee eine richtig gute Paarung.
Süßer Schneeball, Geeiste Ziegenmilch, Passionsfrucht, Yuzucrème & Zitronenbaiser
mit Arbequina Olivenöl
dazu 2012 Rieslaner Auslese, Ellermann-Spiegel / Pfalz
Bei einem „Schneeball” denkt man ja schnell an dieses frittierte Gebäck vom Weihnachtsmarkt. Dieser Schneeball besteht allerdings aus einer hauchdünnen, silbrig schimmernden Zuckerschicht, die bei der ersten Berührung in 1000 anmutige Spiltter zerspringt. Im Inneren befindet sich eine adrett gespritzte, zweifarbige Creme. Ein kleines Nachtisch-Wunder! Wir haben lange überlegt, wie man so etwas Kunstvolles herstellt und haben uns zum Schluss darauf geeinigt, dass diese Kugeln vielleicht wie Glas mundgeblasen werden. Ach ja: I love geeiste Ziegenmilch – das hab ich vorher auch noch nicht gewusst.
Zum Abschluss eine kleine Flut von Pralinen und Süßigkeiten:
Die Olivenöl-Praline mit einer zart-cremigen Füllung
Der Spicy Buddha mit 5 Gewürzen (mindestens)
Ich habe mich im la vie rundum wohl gefühlt und das Essen sehr, sehr genossen. Zwischendurch dachte ich immer wieder, dass sich ein kleines Stückchen vom Himmel also in Osnabrück befindet. Der Service war unheimlich aufmerksam und freundlich, das Prozedere formell aber nicht verspannt oder zickig. Das la vie ist ein Ort, an dem man entspannen und auf hohem Niveau geniessen kann. Wer Pompöses oder betont inszenierte Extravanganz sucht, wird hier sicherlich nicht fündig. Die Gerichte haben häufig eine bodenständige Komponente, sind von ausgesuchter Qualität und überraschen mit der Kombination von Aromen und Texturen. Die Weinauswahl zu den Gerichten war sehr gelungen. Mein Tipp: Die Mittagsmenüs am Wochenende mit einem herausragendem Preis-Leistungs-Verhältnis.
Thomas Bühner kam zwischen den Gängen an den Tisch und plauderte unterhaltsam aus seiner Berufspraxis, berichtete davon, was ihm als Chef wichtig ist, dass er den Erfolg des la vie grundsätzlich als Gesamtleistung seines Teams sieht und dass er nicht verstehen kann, wie immer wieder die absurdesten Gerüchte über Sternerestaurants verbreitet werden. „Vom Teller eines anderen zu probieren war noch nie ein Grund, um aus dem Restaurant geworfen zu werden! Zmindest nicht im la vie. Ich weiß gar nicht, wer sich sowas ausdenkt. Und warum.”
Leider müssen wir dann schon aufbrechen, um den Zug noch rechtzeitig zu erreichen. Mit einer der restauranteigenen, luxuriösen Limousinen werden wir zum Bahnhof gebracht. Eben 3 Sterne bis zum Schluss.
Im Zug überlege ich, was ich mir von diesem Deluxe-Essen mit in meine heimische Winz-Küche nehmen kann. Zum Beispiel die Anregung, Öle und insbesondere Olivenöl nicht nur als Mittel zum Braten oder als Zutat in der Salatsoße zu verwenden. Oder nicht immer nur zur gleichen Flasche im Supermarkt zu greifen, sondern verschiedene Sorten auszuprobieren und bewusst zu verkosten. Und auch mal besondere Sorten (meinen Liebling Cornicabra) bei kleineren Manufakturen im Internet zu bestellen. Ich finde, das sind gute Vorsätze.
Und ganz zum Schluss wie immer das Foto mit dem Koch:
Thomas Bühner und das Mel.
Herzlichen Dank an den Zusammenschluss Spanisches Oilvenöl für die Einladung zu diesem besonderen Essen.
Vielen Dank an Thomas Bühner und das gesamte la vie-Team für die ausgesuchte Gastfreundschaft und einen sehr entspannten und genussreichen Tag. Es war ein unvergessliches Erlebnis. Und ich komme bestimmt wieder.
la vie***
Krahnstraße 1
49074 Osnabrück
Tel. +49 5 41 33 11 50
Öffnungszeiten
Dienstag bis Samstag ab 19 Uhr
Freitag und Samstag auch ab 12 Uhr
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