Backen an Muttertag | GourmetGuerilla.de-119607827

Mein legendäres Küchendesaster an Muttertag.

Also Schätzchen … weißt du … ähm, es ist jetzt schon halb zwölf und Mama und ich haben jetzt wirklich ein kleines bißchen Hunger. Also … wir lange müssen wir denn noch im Bett bleiben? So ungefähr …?“ Mein Papa steht im Schlafanzug vor der Küchentür und lugt durch einen kleinen Spalt. Viel kann er nicht sehen, dann ich halte die Küchentür mit meiner ganzen Körperkraft zu und protestiere dabei lautstark. Ich bin neun Jahre alt. Und es ist Muttertag.

Vor ungefähr dreieinhalb Stunden war ich in meinem Kinderzimmer aufgewacht – und hatte einen genialen Geistesblitz. Zu dem – unter meinem Schreibtisch versteckten – Biedermeier-Sträußchen mit schicker Loch-Papier-Manschette und dem gemalten Bild sollte es heute noch etwas ganz besonderes für meine Mama geben: einen selbstgebackenen Kuchen zum Frühstück! Ich hatte bisher noch nie allein gebacken und fand die Idee geradezu unglaublich fantastisch.

Also angelte ich mir das einzige in unserem Haushalt verfügbare Kochbuch (zum AEG-Herd mitgeliefert und mit Rezeptfotos in schicken 70er-Jahre-Gelb-Umbra-Tönen) aus dem Flurschränkchen und suchte nach einem passenden Rezept. Gar nicht so einfach, wenn man das Ganze nicht geplant und auch keine Zutaten eingekauft hat.

Die Linzer Torte musste ich wegen Rohstoffmangel genau so schnell verwerfen wie den Frankfurter Kranz. Aber die Quark-Öl-Taschen mit Aprikosenfüllung würden bestimmt prima klappen! Aprikosen hatten wir zwar nicht im Vorratsschrank und das mit dem Quark würde auch irgendwie anders gelöst werden müssen … aber es würde trotzdem ganz toll für meine Mama werden. Da war ich mir absolut sicher.

Drei Stunden später fand ich die Idee immer noch super. Auch wenn sich die Ausführung inzwischen vielleicht doch ein klein wenig komplizierter darstellte, als ursprünglich angenommen.

Wer hätte denn auch ahnen können, dass gleich das ganze Mehl umkippen und die Margarine sich erstaunlich gleichmäßig auf dem Fußboden verteilen würde? Die dreitausend kleinen weißen Sprenkel, die der Teig und das Rührgerät auf den Fliesen hinterlassen hatten, waren aber immerhin größtenteils schon wieder weggewischt.

Das etwas größere Problem war allerdings, dass meine Eltern schon vor Stunden aufgewacht waren. Und zunehmend hartnäckig nach Kaffee und Nahrung verlangten. Aber ich hatte ihnen strickt verboten, das Bett zu verlassen. Die Überraschung sollte ja schließlich eine bleiben! Papa, zurück ins Bett!

Irgendwann am späten Mittag präsentierte ich meinen völlig ausgehungerten Eltern dann stolz meine Muttertags-Quark-Öl-Taschen. Oder zumindest das, was daraus geworden war: bröckelige, auseinanderfallende Teigfladen mit glitschigen halben Dosen-Pfirsichen als Füllung. Nicht nur, dass es deutliche Abzüge in der B-Note gab, die Dinger schmeckten auch absolut schrecklich. Und die Küche sah aus wie … wie sie garantiert noch nie zuvor ausgesehen hatte.

Mama Muttertag | GourmetGuerilla.de
Mama

Erstaunlicher Weise ist das Quark-Öl-Taschen-Küchendesaster zu der schönsten Muttertags-Erinnerungen meiner Mama geworden, von dem sie heute immer noch begeistert erzählt. Die letzten 34 36 Jahre haben einen rosigen Schleier über nagenden Hunger und anschließende stundenlange Küchenputz-Aktionen gemäß deutschem Hausfrauenstandard geworfen. Und übrig geblieben ist die Erinnerung an die tollsten Bröckel-Pfirsich-Fladen der Welt und ganz viel Liebe.

Ich würde sagen, da haben ich und die Pfirsiche ganz schön viel Glück gehabt! :-) Die 34 vergangenen Jahre sieht man meiner Mama übrigens kein bißchen an. Ich hoffe, ich habe da was geerbt. Alles Liebe zum Muttertag. Mami!

Was auch immer du für deine Mama vorbereitet hast (von total neuen Küchenexperimenten sollte man eventuell absehen) – ein kleiner persönlicher Gruß aus der Küche ist ganz bestimmt nicht verkehrt. Im Zweifel tun es ja Spaghetti Bolognese … 

Habt euch lieb & habt es lecker!