Vor 16 Jahren geriet der Italiener Guido Martinetti durch Zufall auf ein internationales Slow Food Festival. Und war zuerst total verblüfft und dann unglaublich begeistert von dem, was er dort sah: Lebensmittel wie früher, aus ehrlichen Zutaten, mit natürlichem Geschmack und von engagierten Leuten gemacht. Was für ein großartiger Ansatz! Für Guido war sofort ganz klar, dass so die Zukunft unserer Ernährung aussehen müsste. Da wollte er auch unbedingt mitmachen. Und zwar mit einem Produkt, das für die Italiener quasi zur Basisausstattung gehört: Gelato. Seine Mutter wäre damals fast in Ohnmacht gefallen, als er ihr die Vision seiner beruflichen Zukunft mitteilte: Slow Food Eis in Turin machen. Als italienische Mama hatte sie sich für ihren geliebten Sprössling etwas viel standesgemäßeres und respektableres vorgestellt. Rechtsanwalt vielleicht. Oder Notar. Aber ein einfacher Gelato-Mann – no!, das wollte ihr auf keinen Fall in den Kopf.
Es gibt in Italien Tausende von Eisdielen – wer wartet da ausgerechnet auf noch ein neues Gelato?
Auch sein in geschäftlichen Dingen erfahrener Kumpel Federico war zunächst nicht sonderlich begeistert, als er von der Idee erfuhr. „Guido“, sagte er, „wir haben in Italien Tausende Eisielen. Und allein in Turin dutzende, die seit mehreren Generationen in Familienhand sind. Wer hat denn da ausgerechnet auf dein Gelato gewartet? Du hast doch gar keine Ahnung vom Eis machen.“
Aber Guido blieb hartnäckig. Gerade in seiner totalen Ahnungslosigkeit sah er die große Chance, ein Gelato zu machen, das sonst keiner mehr herstellte. Er schaute sich den Prozess der Eisherstellung von der Pike auf an und überlegte sich ohne Beschränkungen, wie er es besser machen könnte. Sein Ansatz: Nur Geschmack zählt. Und für den besten Geschmack braucht man nur die leckersten, reifen Früchte, gute Milchprodukte und Zucker. Darüber hinaus braucht man so gut wie nichts.
Einen Businessplan und 32.000,– € später eröffnet Guido seine erste eigene Eisdiele
Er schrieb einen Businessplan und überzeugte seinen Kumpel Federico damit prompt, als Geschäftspartner mit in das Projekt einzusteigen. Die beiden besorgten sich einen Kredit von exakt 32.500,– Euro und starteten damit ihr eigenes Gelato-Business in Turin. Guido wollte einen kurzen und einprägsamen Markenamen für sein Gelato, der sich von den üblichen italienischen Eisdielen abhebt. Kurzerhand nahmen sie den Nachnamen von Frederico: Grom. Der prangt jetzt oben über dem kleinen Ladenlokal in der Innenstadt von Turin. Und dort arbeitete Guido quasi Tag und Nacht für sein Projekt.
Frederico hatte seinen finanziellen Anteil an diesem Himmelfahrtskommando wahrscheinlich schon klammheimlich abgeschrieben. Aber das Großartige geschah: Die Turiner liebten das Gelato. Und sie kauften es wie verrückt. Guidos Philosophie des Eismachens sah vor, dass sie die besten, schmackhaftesten Früchte frühmorgens frisch auf dem Markt kauften. Um dann genau einen Container Gelato damit herzustellen. Wenn die Sorte ausverkauft war, war sie eben alle. Bis zum nächsten Tag – wenn neue reife Früchte zu leckerem Gelato werden würden. Den Einsatz von fertig gelieferten Fruchtpürees oder vorgemischten Eis-Pulvern mit Aromastoffen lehnte er kategorisch ab.
Mittags schon ausverkauft – die Idee vom Slow Food Gelato funktioniert prima
Als dann irgendwann sämtliche Sorten im kleinen Eislädchen bereits immer mittags ausverkauft waren, wurde klar: Die Idee vom Slow Food Gelato funktioniert prächtig. Grom würde mehr Eis herstellen müssen. Ein Mitarbeiter für die Eisproduktion wurde eingestellt. Dann kamen peu à peu weitere Gelaterias in Turin hinzu. Schließlich wurde die Produktion für alle Grom Gelaterias in einer eigenen Manufaktur im Umland von Turin gebündelt.
Mit der wachsenden Produktionsmenge sah sich Guido allerdings vor das zunehmende Problem der Zutatenbeschaffung gestellt. Der Wochenmarkt reichte schon lange nicht mehr aus, um die reifen Früchte für das Grom Gelato zu liefern. Eine neue Idee entstand: Warum sollte man nicht selber die Früchte anbauen und dabei die volle Kontrolle über den Anbau, die Qualität und den Geschmack erlangen? Man kann sich die entgeisterte Reaktion seines Partners Frederico lebhaft vorstellen, als Guido ihm schließlich eröffnete: „Wir kaufen eine Plantage. Ich will Obstbauer werden!
Gelato ganzheitlich gedacht: eigene Plantagen für beste Früchte aus eigenen Anbau
Aber Guido wäre nicht Guido, wenn er nicht auch diesen Plan einige Jahre später erfolgreich umgesetzt hätte. Wir treffen ihn Anfang Juli auf Mura Mura, der Grom-eigenen Bio-Obstplantage in der italienischen Region Costigliole d’Asti. Hier erzählt er von seiner Idee vom besseren Eis, der Geschäftsgründung, den Herausforderungen und von seiner geliebten Plantage. Es ist ihm unglaublich wichtig, dass wir verstehen, wie ernst ihm sein Business ist und wie tief er dafür schließlich auch noch in das Thema Landwirtschaft eingestiegen ist. Er brennt geradezu für sein Produkt und für seine Obstplantage. Das wird spätestens klar, als er uns durch Mura Mara führt und die verschiedenen Fruchtsorten, das Prinzip des gemischten Anbaus sowie die Versuchsgärten erklärt. Fast hat man den Eindruck, er würde am liebsten jede Frucht einzeln liebkosen.
Mura Mura – weise Langsamkeit geht auch in der Landwirtschaft
Auf Mura Mura – der Name bedeutet übrigens „weise Langsamkeit“– wachsen u.a. Aprikosen, Feigen, Pfirsiche, Melonen und Birnen ausschließlich für Grom Produkte. Guido erklärt, dass sich die Böden Norditaliens nicht besonders für wirklich schmackhafte Beerenfrüchte eignen. Darum kauft er Himbeeren und Erdbeeren, aber auch exotische Zutaten wie Schokolade und Pistazien im unverarbeiteten Zustand bei Produzenten ein, die seinen Ansatz von Landwirtschaft teilen und denen der Geschmack der Produkte ebenfalls sehr wichtig ist.
Auch wenn die Produktion inzwischen so groß geworden ist, dass Grom Gelato auch in andere Länder exportiert wird, hält Guido weiter strikt an seiner Idee von saisonalen Zutaten fest. Wenn die gesamte Aprikosenernte zu Eis verarbeitet wurde und ausverkauft ist, gibt es in den Grom Gelaterias kein Aprikoseneis mehr. Bis zum nächsten Jahr. Basta! „Um die Idee von Slow Food Lebensmitteln auch in einer größeren Produktion weiter umzusetzen, brauchst du genau drei Dinge,“ erläutert Guido. „Einstellung, Leidenschaft und Durchhaltewillen.“ Ok, davon scheint er geradezu eine unendliche Menge zu besitzen. Ich bin schon wahnsinnig gespannt, was seine nächste Idee sein wird.
Gelateria Grom: Eisessen so viel man will und Gelatozubereitung vor den Augen der Kunden
Am nächsten Tag geht dann noch ein kleiner Kindheitstraum in Erfüllung: Wir besuchen den neuen Grom Flagship-Store in Turin und dürfen so viel Gelato essen, wie wir wollen. Während wir uns hingebungsvoll durch die verschiedenen Sorten probieren, sehen wir zu, wie das Gelato vor den Augen der Kunden frisch gemacht wird: Die Eismasse wird in den Verkaufscontainer in der Kühltheke gefüllt und direkt darin mit einem einsetzbaren Quirl zu Gelato aufgeschlagen. Wenn dann die richtige Konsistenz erreicht ist, wird der Quirl entfernt und das Gelato direkt verkauft.
Auch bei der Auswahl der Sorten hat sich Guido mit seinem eher puristischen Ansatz durchgesetzt. Pistazie, Himbeere, Zitrone, Schokolade, Erdbeere – die klassischen Sorten kommen ohne jeden weiteren Firlefanz aus. Nur bei einer Sorte gibt es (extra Frederico zu Liebe) üppigere Zutaten: Crema di Grom knuspert mit Konditorsahne, Schokostückchen und hausgebackenen Biscotti. In den Grom Stores findet man in der Kühltheke neben dem klassischen Gelato übrigens auch noch sehr leckere Sorbets, Granitas und Milchshakes. Außerdem gibt es inzwischen auch Marmeladen und Gebäck, die streng nach dem Grom Slow Food Ansatz hergestellt werden: möglichst wenige, nur natürlich Zutaten.
Wer Fan von Eis „wie früher“ ist und auf natürlichen, umwerfenden Geschmack setzt, sollte unbedingt einen der Grom Stores aufsuchen. Dort kann man übrigens ausgewählte Gelato-Sorten auch im 500 ml- Becher mit nach Hause nehmen. Qualitativ sind die Mitnahme-Becher genau so gut wie das Theken-Eis. Nur der Luftgehalt ist etwas höher, damit das Gelato den Transport nach Hause und das erneute Einfrieren ohne Einbußen für den Schmelz übersteht.
Gute Nachrichten! Grom Gelatos gibt es jetzt auch in deutschen Supermärkten.
Pistacchio
Perfect Green und Mawardi: Hier vereinen sich zwei Pistaziensorten aus dem Mittleren Osten zu einem intensiven Geschmackserlebnis. Ein leicht säuerliches Aroma trifft auf süßliche Noten und einen vollmundigen, natürlichen Pistaziengeschmack. Ein Eis mit vielen ganzen Pistazien!
Lampone
Die Himbeersorten Heritage, Tulameen und Rossana sorgen bei diesem Sorbet für eine besonders frische Note. Neben den Himbeersorten enthält es nur drei weitere Zutaten und begeistert so mit einem einzigartigen, puren Himbeer- Geschmack.
Cioccolato
Peruanische Schokolade gehört zu den aromatischsten Schokoladen der Welt. Bei ihr trifft feine Säure auf Karamell-Aromen und tropische Früchte – für ein besonders schokoladiges Schokoladeneis.
Crema di Grom
Eine knusprige Komposition aus Konditorsahne, Schokoladenstückchen aus Ecuador und Biscotti di Melinga von Grom. Das Gebäck wird aus glutenfreien Urgetreidesorten hergestellt, die auf Stein gemahlen und nach einem hauseigenen Rezept von Grom verarbeitet werden.
Limone
Ein säuerlich-süßes Sorbet aus Quellwasser, Zucker und viel Limettensaft. Je nach Erntesaison werden für das Sorbet die Sorten Femminello Siracusano, Primofiore, Verdello und Bianchetto verwendet. Das Geschmacksgeheimnis: Die Zitrone wird vorsichtig ausgepresst – ohne den bitteren weißen Teil der Schale.
Wer kann dazu schon Nein sagen? Mit ca. 8,– Euro pro Becher liegt die Preisstellung deutlich über dem durchschnittlichen Supermarkteis. Aber wer große Freude an Qualität hat, wird diese (Klein-)Investition für besonderes Gelato sicher nicht bereuen.
Wer mag, findet hier weitere Infos zum Unternehmen Grom. Und hier gibt es eine Liste der Grom Gelaterias. Habt es lecker! ღ
Die Gründungsgeschichte stimmt zwar und liest sich ja hier wirklich beeindruckend. Was leider fehlt: Grom gehört seit einigen Jahren zum Nahrungsmittelkonzern Unilever, die beiden Gründer spielen keine Rolle mehr und die Expansion in deutsche Supermärkte ist nur möglich, weil die Standards und die Akribie beim Einkauf der Zutaten seit 2014 Stück für Stück zurückgefahren wurde
Hallo Sven, danke für Deinen Kommentar. In der Tat greift Grom für den internationalen Export auf die bestehenden Vertriebsstrukturen von Unilever für deutsche Supermärkte zurück. Das kann man doof finden, wenn man möchte. Die Zutaten für das Eis sind aber genau wie vorher weiterhin streng Slow Food ohne Zusätze, Aromastoffe, Füllmittel etc. Auch Grom selbst ist nach wie vor unverändert. Firmensitz, Labore, Zulieferer und Mitarbeiter sind alle die gleichen. Ich weiß nicht, woher Du Deine Informationen bezüglich einer geänderten Akribie der Einkaufsstrategie beziehst. Ich habe die beiden Gründer persönlich kennen gelernt und habe zwei Tage mit ihnen verbracht. Insbesondere Guido hat eine sehr starke Vision von seinem Produkt und engagiert sich auf der Bio-Farm und ist selbstverständlich weiterhin Miteigentümer. Bevor jetzt nach Deutschland exportiert wurde, war das Eis auch schon länger in einigen anderen Ländern erhältlich, ohne das etwas an der Qualität verändert wurde. Liebe Grüße, Mel.