Winterdom in Hamburg. Die Familie steht vor´m Autoscooter. Gerade hat das Kleine noch voller Freude ein paar Runden auf dem Motorrad im Babyscooter gedreht – und sah dabei zwischen den 4- und 5-Jährigen eindeutig viel zu groß geraten aus. Hm. Vielleicht ist das der perfekte Moment, um meinen Sohn in die geheimnisvollen Welten des Erwachsenen-Scooters einzuführen? Früher hieß das Dingen auch mal ganz lustig Autoselbstfahrer. Ich kann mich noch schwach erinnern, dass ich mit 13 und 14 die ganz besondere Magie dieses Fahrgeschäfts auch sehr zu schätzen wusste – inklusive Rauf-und-Runter-Charts, die aus vollen Rohren über die Fahrbahn schallen. Das Kind ist fast 8. Warum also nicht.
„Wollen wir eine Runde drehen?”, frage ich das Kind. Er ist sofort Feuer und Flamme und springt wie ein Flummi auf und ab. Ein paar Minuten später kurven wir elegant über die Fläche: Mama am Steuer, Sohn nebendran. Einvernehmlich nicken unsere Köpfe mit 130 BPM im Takt irgendeiner amerikanischen Sängerin. Ha, wie cool.
„Mama”, sagt das Kind plötzlich „wir müssen mal die Mädels da anfahren”. Wie süß, denke ich und lasse meinen Blick wohlgefällig auf dem vor uns fahrenden Scooter ruhen: Zwei adrett in Rosa gekleidete Püpsinnen in seinem Alter fahren mit Bommels an den Häkelmützen artig und beflissen ihre Runden. Die Sache mit dem Autoscooter hat er ja schnell intuitiv erfasst, amüsiere ich mich heimlich. „Die sind aber klein”, informiere ich meinen Sohn offiziell. „Da darfst Du nicht zu feste draufhalten.” „HÄÄÄÄÄ??” Aus den Augen meines Sohnes spricht das pure Unverständnis.
„Nein MAMA, nicht DIE da. DIE da drüben meine ich”. Er deutet mit dem Kinn zu Seite. Ich sehe zwei knapp 13-jährige Mädels vorbeiflitzen, die heute offenbar zum ersten Mal ihren Kajal und etwas zu buntes Lip-Gloss ausführen. Extrem enge Jeans, blasse spitze Gesichtchen und dazu dieses etwas ungelenk aufgelegte MakeUp. Jetzt bin ich dran: „HÄÄÄÄÄÄÄ?!” In diesem Moment ist die Fahrt vorbei und die Scooter bleiben stehen.
„Los, rutsch mal rüber, Mama. Ich fahr!”, sagt mein Baby zu mir, streift in Windeseile den Sicherheitsgurt ab und macht auffordernde Armbewegungen. Ich rutsche verdattert auf den Beifahrersitz, während einer der freundlichen Mitreisenden dem Kind fachgerecht den Sicherheitsgurt auf dem Fahrersitz justiert. Ein Chip landet im Schlitz und wir rasen in ein neues Kapitel unserer Mutter-Sohn-Beziehung.
„Wir müssen sie erwischen!” fordert das Kind enthusiastisch und kurvt hinter den Angebeteten her. Und da sitze ich nun. Auf dem Beifahrersitz neben meinem Sohn auf der Jagd nach älteren Mädels. RUMMS! Er hat sein Ziel erreicht und gluckst überglücklich. Die beiden vom Aufprall verrutschten Mädels lächeln milde. Sie finden ihn niedlich. Ach herrje.
Kurz gerade ich ins Philosophieren: Wird das ab jetzt immer so sein? Und wie lange werde ich wohl noch daneben sitzen (dürfen). Ist das etwa sein Frauengeschmack? Oh Gott! Was werden wir tun, wenn er ganz bald (wie bald?!) seine erste Händchenhalte-Freundin mit nach Hause bringt? Er wird sich doch wohl ganz bestimmt eine mit Geist und Charakter aussuchen? Das mit dem Lip-Gloss kriegen wir dann auch noch gemeinsam hin … RUMMMMMS!!! Fast werde ich von einem mörderischen Aufprall aus dem Sitz gerissen. Mein Sohn hat – den Mädels über seine Schulter nachschauend und weiter geradeaus fahrend – unseren Scooter volle Pulle frontal vor eine Wand gesetzt. Ach du meine Güte. Das mit dem Geist scheint ja eher nicht besonders nötig zu sein. Für´s erste.
Wir drehen weitere vier Runden. Als wir dann irgendwann aussteigen und er beim Anblick von einer Tüte Schmalzkuchen in pure Verzückung gerät, denke ich, dass wir vielleicht doch noch ein bisschen Zeit für gemeinsame Scooterfahrten haben. Das Kind macht Comic-Figuren-Geräusche und bekleckert sich von oben bis unten mit Puderzucker.
Es ist ein sonniger Familiensonntag.
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