In den Zeiten von Analogkäse und Pixelwurst weiß inzwischen ein Großteil der Verbraucher, dass es böse Zusatzstoffe in industriell hergestelltem Essen gibt, die man unbedingt vermeiden soll.
Zum Nationalfeind Nr. 1 ist dabei das Natriumglutamat erkoren worden. Was genau es tut, weiß wahrscheinlich niemand so richtig, aber man is(s)t sensibel und möchte das Zeug nun nicht mehr zu sich nehmen.
Die Vermutungen, was das Glutamat nun eigentlich so böse macht, sind umfangreich: von Heißhungerattacken, Kopfschmerzen und Allergieschüben ist die Rede. Auch kann es die Blut-Hirn-Schranke überwinden – bei Tieren wurde das wissenschaftlich nachgewiesen, bei Menschen steht der Beweis noch aus. Das schaffen sonst nur starke Medikamente bei ernstzunehmenden Erkrankungen. Da bekommt das Essen auf einmal „Nebenwirkungen“ und unangenehme Tendenzen ins Medizinische.
Da ist es umso erstaunlicher zu erfahren, dass es sich bei Natriumglutamat um einen natürlichen Stoff handelt, der sowohl im menschlichen Körper als auch in vielen Gemüsen und Algen gebildet wird. Die Erkenntnis: Es ist ständig unter uns! Und so ist es auch für die allermeisten Menschen wunderbar verträglich. Aber wie immer beginnt das Problem genau dann, wenn man einen Stoff aus seiner natürlichen Umgebung isoliert, bearbeitet, konzentriert und dann in rauen Mengen wieder in einer unnatürlichen Umgebung einsetzt.
Die Nahrungsmittelindustrie hat unmittelbar auf die Irritation der Verbraucher reagiert und die Verpackungen mit entsprechenden Hinweisen ausgestattet, die Natriumglutamat-Freiheit verkünden. Können wir uns nun darauf verlassen, dass unser Essen dadurch ein bißchen besser geworden ist?
Es ist schade, dass wir die Antwort unangenehm im Voraus ahnen. Natürlich steckt der Stoff noch in den Tüten und Päckchen, verkleidet sich aber elegant als „Hefeextrakt“ oder auch schlicht als „Würze“. Wenn der Begriff „Würze“ auftaucht, ist übrigens ganz besonderes Mißtrauen angeraten: Es handelt sich dabei weder um Salz und Pfeffer oder um GEwürze (diese müssen nämlich auf der Packung als solche ausgewiesen werden), sondern um ein Cocktail von isolierten und bearbeiteten Substanzen, die uns das industriell (tot)behandelte und an sich geschmacklose Essen wieder schmackhaft machen.
Ob das gut oder schlecht ist, mag jeder selbst entscheiden. Es ist nur bezeichnend, dass wir seit Monaten eine langanhaltende Debatte über das neue Benzin führen, das vermutlich weniger leistungsstark ist und zusätzliche Wartungsarbeiten am KFZ verursacht. Da ist die Empörung allerortens stark spürbar. Beim Essen allerdings akzeptieren wir problemlos – nennen wir es einmal – Schummeleien und Verschleierungen.
Das Beispiel Natriumglutamat ist nur eines von vielen. Ein an sich harmloser Stoff wird inflationär in unserem Essen eingesetzt, gerät in die Kritik, sorgt dann für Angst und Irritation beim Verbraucher und bietet anschließend noch neue Marketingstrategien für die Nahrungs-mittelgiganten. Ist es da nicht umso schöner, auf das ganze Spiel zu verzichten und genau zu wissen, was für Stoffe und Zutaten im eigenen Essen sind? Zumindest hin und wieder?
Das kann man tun: z.B. …
… die Inhaltsstoffe auf dem Etikett genau lesen. Wenn dort zu viele seltsame Begriffe und Zusatzstoffe aufgeführt sind, die man nicht kennt oder nicht in seinem Essen haben will: zurück ins Regal stellen.
… zu Bio-Qualität greifen. Aber Vorsicht! Gerade bei den Discountern unterliegen die Grundzutaten einem Mindestmaß an Bio-Verordnung. Trotzdem sind dort häufig eine Menge Zusatzstoffe verarbeitet, die man nicht erwarten würde. Das ist in Bio-Supermärkten und im Bio-Einzelhandel meistens nicht so.
… auf Convenience-Produkte und Fertiggerichte verzichten und selbst kochen. Das geht häufig einfacher und schneller, als man denkt. Anregungen hier.
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