Blogger-Kooperationen: Das Märchen von Content gegen Reichweite | GourmetGuerilla.de

{Koops} Das Märchen von Content gegen Reichweite. Oder: Warum Unternehmen Ihre Vergütungspraxis dringend überdenken müssen.

Blogger-Kooperationen: Das Märchen von Content gegen Reichweite | GourmetGuerilla.deBlogger sind eine interessante und ergiebige Quelle für Content. Das ist auch für die meisten Unternehmen kein Geheimnis mehr. Häufig wird daher ein budgetneutraler Tauschhandel „Content gegen Reichweite” vorgeschlagen. Doch profitieren Blogger wirklich von diesen Kooperationen?

Derzeit ist Content Marketing das populärste Schweinderl, das durch´s Marketingdorf getrieben wird. Der Bedarf an involvierenden und unwerblichen Ideen, Bildern und Texten ist bei Unternehmen daher entsprechend groß. Websites, Corporate Blogs, Kundenmagazine, Facebook-Fanpages, Newsletter und Pinterest-Accounts wollen befüllt werden – und das am besten täglich neu. Viele Unternehmen sehen sich mit dieser arbeitsintensiven Anforderung konfrontiert, verfügen aber in der Regel weder über die internen Strukturen noch über entsprechende Budgets, um die Mission Content mit ihren angestammten Dienstleistern und Agenturen zu stemmen.

 

Blogger schliessen die klaffende Versorgungslücke im Content Marketing

Es ist daher kein Wunder, dass Unternehmen händeringend nach alternativen externen Quellen suchen, die den Nachschub an dringend benötigtem Content sicherstellen. Seit einiger Zeit sind insbesondere Blogger aus dem Lifestylesegment ganz oben auf der Liste: Sie produzieren versiert, hochwertig, schnell, kreativ und unkompliziert. Sie sind eine effiziente Antwort auf die klaffende Versorgungslücke für Inhalte. Das ganze könnte also durchaus eine funktionierende Win-Win-Situation für Blogger und Unternehmen sein. Aber viele Unternehmen haben sich ein budgetneutrales Geschäftsmodell zurechtgelegt, das vor allem einer Partei sehr viel „Win” verspricht: dem Unternehmen selbst. Die versprochene Währung für Content heisst gern Reichweite. Und für die machen Blogger in den Augen der Unternehmen offenbar so einiges.

 

Einseitiger Handel: viel Leistung gegen Hoffnung auf Bekanntheit

Nicht selten haben Unternehmen eine sehr dezidierte Vorstellung von dem, was Blogger ihnen liefern sollen: Individuell und exklusiv entwickelte Ideen mit zahlreichen Bildern und umfangreichen Texten sollen zur freien Verfügung gestellt werden. Selbstverständlich mit allen Rechten an der zeitlich und räumlich unumschränkten Nutzung für die Homepage des Unternehmens, Facebook, weitere Social-Media-Kanäle, Newsletter, Pressemitteilungen und noch unbekannte zukünftige Aktivitäten. Häufig soll außerdem zusätzlich noch eine Veröffentlichung inklusive Unternehmenslink im Blog sowie die Promotion in allen Social Media Kanälen des Bloggers erfolgen.

Der Gegenwert für diese Leistungen: Ein Link zum Blog oder die Nennung des Bloggers in den Kanälen des Unternehmens. „So können Sie Ihren Blog einer breiten Öffentlichkeit präsentieren und viele neue Leserpotenziale erschliessen” liest man so oder so ähnlich in den Angeboten für den Content-Reichweiten-Exchange. „Das ist doch außerdem eine tolle PR für Sie und Ihren Blog!”

Auf den ersten Blick mag der Deal tatsächlich recht attraktiv erscheinen: Der Blogger erstellt Content und wird dafür im Gegenzug vom Unternehmen einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Die Aussicht auf viele neue Leser und eine größere Reichweite ist für Blogger durchaus eine spannende Sache. Daher lassen sich insbesondere jüngere und kleinere Blogs sehr gern auf solch einen Handel ein und spekulieren auf die Steigerung ihrer Bekanntheit. Leider müssen viele von ihnen hinterher desillusioniert feststellen, dass vor allem eines mit ihrer Reichweite und Bekanntheit passiert: nichts.

 

Innensicht und Unkenntnis sorgen bei Unternehmen für ein verzerrtes Bild von Mechanismen in Web

Man würde Unternehmen wahrscheinlich Böses unterstellen, wenn man davon ausginge, dass Blogger da ganz bewusst mit etwas geködert werden sollen, das nicht funktioniert. Oft ist einfach die Innensicht des Unternehmens schuld an der fundamentalen Fehleinschätzung der Gegebenheiten: „Wir sind groß und wichtig. Wir haben Marktmacht. Wenn wir einen Link posten, dann werden da schon viele draufklicken”, scheinen Mitarbeiter auf Unternehmensseite vorauszusetzen.

Vielleicht kommt zu dieser recht sympathischen Naivität auch hin und wieder die simple Unkenntniss der Mechanismen in diese Internet. Es ist erstaunlich, wie selbstverständlich Unternehmen davon ausgehen, dass sich sie Reichweite schon irgendwie automatisch einstellen wird. Dabei stützen sie sich häufig auf reine Annahmen und ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein.

So berichtete beispielsweise BurdaLife in einem Vortrag im Rahmen der CeBIT Global Conferences unlängst über die Zusammenarbeit mit Bloggern. Mehrfach wurde die partnerschaftliche Zusammenarbeit von BurdaLife mit Bloggern bei mehreren Objekten im Lifestyle-Segment hervorgehoben. Die Blogger gäben den Content unter anderem für Online-Medien, dafür erhielten Sie vom Unternehmen BurdaLife im Gegenzug Reichweite und eine breite Öffentlichkeit. Eine weitere finanzielle Vergütung wäre für die Nutzung des Contens daher nicht vorgesehen. Auf die Frage, welche Reichweite Blogger denn durch die Zusammenarbeit im Durchschnitt erwarten könnten und wie oft auf die Links zu den Blogs geklickt werden würde, wusste man keine Antwort. Das wisse man derzeit nicht. Man sei aber gerade bemüht, da mal Zahlen zusammenzustellen.

Diese Situation ist keine Ausnahme. Derzeit scheint es kein Unternehmen zu geben, das die Frage nach konkreten Reichweiten oder Klickraten auf Bloggerlinks beantworten kann oder möchte. Die Erhebung dieser Zahlen wäre einfach und mit wenig Aufwand durchführbar. Stattdessen setzt man lieber auf pure Versprechen und – wenn das nicht reicht – auf den Standpunkt, dass es für Blogger ja schon auch eine Ehre sei, für ein Unternehmen arbeiten zu dürfen. Hin und wieder lassen sich Unternehmen sogar dazu hinreißen, verschnupft und aggressiv auf Nachfragen oder Absagen von Bloggern zu reagieren. Ein großer Versandhandel aus Hamburg soll in diesem Zusammenhang Bloggern sogar Undankbarkeit und Größenwahn unterstellt haben, als diese nicht für die pure Hoffnung auf Reichweite Content spenden wollten.

Vielleicht möchten sich Unternehmen aber auch einfach nicht so gern in die Reichweiten-Karten schauen lassen, weil dann an der einen oder anderen Stelle sofort klar wäre, dass es um ihre Zahlen gar nicht mal so gut bestellt ist.

 

Kontent gegen Reichweite – für Blogger meist ein Verlustgeschäft

Auch Blogger schätzen das Potenzial eines Konzerns oder einer Marke gern falsch ein. Natürlich verfügen diese vor allem bei Facebook über recht beachtliche fünf- bis sechsstellige Fanzahlen. So könnte man durchaus damit rechnen, dass da einiges an Aufmerksamkeit zum Blogger rüberschwappt. Die Realität sieht aber ganz anders aus: Interaktionsraten und Empfehlungskompetenz von vielen Unternehmen-Fanpages sind überraschend gering. Man kann es sogar als Glücksfall bezeichnen, wenn überhaupt ein spürbarer Traffictransfer passiert.

So ist auch auf Unternehmens-Websites und -Blogs ein Link im Zusammenhang mit geliefertem Content für den Trafficaufbau des Bloggers meist wertlos. Einerseits muss man sich die Frage stellen, wie viele User wirklich den Weg zum Unternehmenskanal finden. Andererseits werden dem User dort dann bereits alle interessanten Informationen umfassend präsentiert. Die Motivation auf einen Link zu klicken, um den Verfasser des gerade Gelesenen näher kennenzulernen, geht gegen Null. Zahlreiche Bloggern bestätigen, dass in solchen Fällen keine oder nur marginale Konversionen erfolgen.

Sehr ähnlich verhält es sich auch mit Erwähnungen in Print-Titeln. Die Leser wechseln nicht zwischen den Medien. In den seltensten Fällen macht sich jemand die Mühe, eine in einer Zeitschrift abgedruckte Internetadresse in seinen Computer zu tippen. Hier kann sich der Blogger also allenfalls mit einem Imagegewinn oder Egofutter trösten. Gedrucktes hat in Deutschland nach wie vor einen gewissen Stellenwert. Am Traffic und an der Reichweite des Blogs ändert das aber erst einmal nichts.

Selbst wenn Leser über die gesetzten oder gedruckten Links zum Blog gelangen sollten, wird nur ein sehr geringer Anteil diesen ein zweites Mal besuchen. Das Unternehmen nutzt also langfristig den Content, der Blogger bleibt dagegen mit einer Handvoll kurzfristiger Klicks zurück. Der Blogger erhält somit in der Regel nicht die versprochene Gegenleistung für seine Arbeit.

 

Unternehmen müssen an ihren Vergütungsmodellen arbeiten, wenn sie weiter profitieren wollen

Unternehmen sollten dringend die Tatsache realisieren, dass sie den budgetneutralen Deal „Content gegen Reichweite” meist nicht erfüllen. Während der Blogger eine Leistung zur Verfügung stellt, die bei qualitativ guter Umsetzung mehrere hundert Euro wert ist, verlassen sich Unternehmen unrealistischer Weise darauf, dass als Gegenleistung schon irgendjemand auf Links klicken wird. Von großen Reichweiten und einer gesteigerten Öffentlichkeit ist man so aber mehr als weit entfernt.

Wenn die Versorgungslücke im Content Marketing weiterhin geschlossen werden soll, müssen Unternehmen aktiv daran arbeiten, Bloggern auf Augenhöhe zu begegnen. Vollmundige Versprechen reichen als Basis für eine Zusammenarbeit nicht aus. Entweder werden vom Unternehmen zukünftig valide Zahlen zu Reichweiten und Klickraten zur Verfügung gestellt – die Blogger ja im Übrigen auch regelmäßig im Rahmen von Kooperationen beibringen. Oder es muss eine andere angemessene Vergütung für den Content gefunden werden. Denn sicherlich kann man ausschließen, dass eine ganze Community weiterhin für einen zweifelhaften schönen Schein ihre Leidenschaft und Arbeitskraft einsetzen wird.