Jedes Jahr erlebt man an der Küste Nord-Norwegens eins der großartigsten Ereignisse der Natur. Hier, 400 Kilometer nördlich des Polarkreises, auf den Lofoten, sieht es aus, als ob die österreichischen Alpen ins Meer geworfen wurden. Hier sorgt der Golfstrom in den Gewässern auch im Winter für eine Temperatur zwischen 4 und 6 Grad Celsius. Hier treffen in Weiß gehüllte Berge auf das eisblaue Meer. Und hier kommt es zu einem der vielen Wunder des Meeres: Von den riesigen nährstoffreichen Meeresgebieten in der Barentssee im Norden begeben sich Millionen von Skreien auf die Wanderung zu ihren Laichplätzen entlang der winterlichen Küste Norwegens, um dort für die Erhaltung ihrer Art zu sorgen.
Skrei ist ein saisonal vorkommender norwegischer Kabeljau. Er stammt aus den größten Kabeljaubeständen der Welt in der Barentssee. Wenn der Kabeljau mit fünf bis sieben Jahren seine Geschlechtsreife erreicht, wandert er in den Wintermonaten an die Küsten Norwegens – seinem Geburtsort –, um dort zu laichen. Er hat dann mindestens 70 bis 100 Zentimeter Länge erreicht und wiegt etwa acht Kilogramm. Wenn der Kabeljau diesen Lebensabschnitt erreicht hat, heißt er Skrei. Der Begriff „Skrei“ ist von dem altnorwegischen Wort „skrida“ abgeleitet, was soviel wie „wandern“ bedeutet.
„Sie kommen, sie kommen!” schallt Anfang Januar der Ruf der Fischer. Graue Wellen mit weißen Kronen tosen unter schwerem Himmel, ein eisiger Wind weht über verschneite Inseln im Atlantik, in den Häfen schaukeln hunderte kleiner Boote. Jetzt beginnt für sie das größte Abenteuer des Jahres: der Skreifang.
Etwa 27.000 Einwohner leben hier auf 1.300 Quadratkilometern Fläche. Die Landschaft ist karg und wildromantisch, gemütliche Dörfer mit bunt gestrichenen Häusern bilden einen malerischen Kontrast. Das Klima auf den Lofoten ist aufgrund des Golfstroms deutlich milder als andere Regionen auf demselben Breitengrad. Zwar kann es zwischen Dezember und März nachts mit zweistelligen Minusgraden klirrend kalt werden, aber dafür lädt der Sommer mit Temperaturen bis 30 Grad zum Baden ein – und das sogar nachts, denn die kurzen Nächte dauern in dieser Region von Ende Mai bis Ende Juli.
Ab Jahresbeginn nutzen die Fischer jede Stunde, in der sie Skrei fangen können. Um 4 Uhr in der Früh verlassen die kleinen Fischerboote den Hafen, verbringen den ganzen Tag auf dem Meer, folgen den Skreischwärmen und kehren erst am frühen Abend wieder mit dem Fang nach Hause zurück. Diese endlosen und harten Arbeitstage dauern bis Ende April, dann endet die Wanderung der Skrei zu ihren Laichgebieten. In den ersten Monaten des Jahres dreht sich das Leben der Fischerfamilien auf den Lofoten und in den Fangebieten vor der Møre-Küste im Süden bis hoch zur Küste Finnmarks deshalb nur um Skrei. Ein Fischer erzählt, dass er bereits mit vier Jahren angefangen hat, Skrei-Zungen zu schneiden, wenn sein Vater mit dem Fang nach Hause kam. Die Zunge des besonderen Kabeljaus gilt bei vielen Norwegern als Delikatesse und die kleinen Jungs verdienen sich damit in den Ferien und am Wochenende gern ihr Taschengeld.
Norwegen betont eine ganzheitlich geprägte Einstellung zur nachhaltigen Bewirtschaftung. Norwegen und Russland tragen die gemeinsame Verantwortung für den Schutz der Bestände und treffen jedes Jahr eine gemeinsame Entscheidung über die Höhe der Fangquoten. Das Bewirtschaftungssystem in der Barentssee ist unter anderem vom WWF anerkannt und durch Marine Stewardship Council (MSC) beziehungsweise KRAV zertifiziert.
In Norwegen ist es Tradition, dass so gut wie jeder Teil vom Skrei gegessen wird. Die bekannteste norwegische Art, Skrei zuzubereiten, ist ein Gericht, das sich „mølje“ nennt und ziemlich einfach ist: In getrennten Töpfen werden der Fisch, seine Leber und der Rogen in leicht gesalzenem Wasser pochiert und anschließend mit Salzkartoffeln serviert. Neben der Zunge werden auch die Bäckchen verwertet, die bei vielen als wahre Leckerbissen gelten.
Im Januar waren sieben Spitzen-Köche aus sieben Ländern Teil des Großen Abenteuers, das die Einwohner der Lofoten seit Jahrhunderten erleben: Sie fuhren mit den Fischerbotten raus auf die See, folgten den Skreischwärmen und fischten. Sie lernten, dass schon bereits im 10. Jahrhundert die Wikinger mit Skrei handelten, dass man Mut und Muskeln braucht, um ihn zu fangen, während die salzige Gischt über die Bordwand sprüht und die kleinen, wendigen Boote sich unter der Wucht der Wellen zur Seite neigen. Und sie erlebten, dass die Speisen hier ohne viel Brimborium auf den Tisch kommen.
Für Deutschland reiste Gerald Zogbaum, Sterneträger, Gastgeber und Küchenchef der Hamburger Küchenwerkstatt nach Norwegen.
Wieder zu Hause in Hamburg, kreierte Gerald Zogbaum ein 5gängiges Menü und ließ sich dabei von der Landschaft der Lofoten und natürlich vom Skrei inspirieren. Mit ein bisschen Brimborium in der Hamburger Küchenwerkstatt. Ich habe mich sehr gefreut, daran teilnehmen und den Skrei in ganz neuen Facetten schmecken zu können (auch wenn die einzelnen Gänge hin und wieder zu meinem ganz persönlichen Großen Skrei-Abenteuer wurden – ich sag nur Skreizunge und Schwimmblase … eieiei!).
Norwegen meets Hamburg.
Die großartige Tischdeko erinnerte an eine kalte, schöne Winterlandschaft:
Das Menü:
Service und Avokadobrot mit Salzwassergarnelen
dazu ein 2010 Deidesheimer Paradiesgarten Riesling trocken,
Weingut Winning, Deidesheim
Kaisergranat mit roter Beete in verschiedenen Zubereitungen, Rose und Himbeer
Zunge und Schwimmblase vom Skrei mit Jakobsmuschel und Dashisud
(Die Schüssel hätte ich dem Restaurant sooo gern abgekauft – aber leider war da nix zu machen. Und so wanderte sie wieder brav in die Küche zurück. Ach …)
Gedämpfter Skrei mit eingelegten Feigen, Hühnerjus und Süßkartoffel-Püree
dazu ein 2011 Oberrottweiler Käsleberg Spätburgunder trocken,
Weingut Salweg, Oberrottweil
Buchweizen mit Fichte und Milch
Und Pralinchen zum Abschluss: Zitrus Pate de Fruit, Haselnussfinaneier und Valrhona-Schokoladenpraline
Das Menü war wie eine Bootsfahrt vor der norwegischen Küste: Erst frisch und klar und etwas bewegt, brauchte man zwischendurch eine Portion Mut, glaubte Gischt im Mund zu haben, freute sich über herzhafte Verlässlichkeit – und fand sich zum Dessert überraschender Weise am Strand wieder. Und wenn man dabei ein klein bisschen seekrank geworden sein sollte, machte die Schokolade zum Schluss alles wieder gut.
Der Skrei ist ein toller Fisch mit sehr magerem und festem, weißem Fleisch. Ich mag ihn am liebsten gebraten mit starken und ein bisschen erdigen Aromen. Petersilien-Kartoffelsstampf, gebackene Tomaten und eine kräftige Soße sind wunderbar zu diesem besonderen Kabeljau.
Info: Vielen Dank an das Norwegian Seafood Council für die Einladung zum Großen Skrei-Abenteuer und Gerald Zogbaum und der Hamburger Küchenwerkstatt für die exquisite Gastfreundschaft.
Sieht alles großartig aus!!!
Danke Dir sehr für diesen Einblick. Wir sind auch bald vor Ort und ich habe mir vorsorglich schon letztes Jahr einen Tisch in der Küchenwerkstatt reserviert. Ich habe schon viel Gutes gehört und bin sehr gespannt.
Wow. Danke für die tollen Bilder und das Wissen rund um den Skrei!
Herzliche Grüße
Arlene
wow, spektakuläre Bilder! Hatte neulich auch Skrei in der Pfanne und habe ihn mit Fenchel Safran Reis kombiniert: cooler Wikinger trifft Königin von Saba ;-)
Schmackhafte Grüße
Stefan
Wow!
Geniale Bilder aus Norwegen. Wer hat die geschossen?
Und das Essen!
Wahnsinn!
Liebe Grüße
Suse