Stevan Paul gehört schon ganz lange zu meinem kulinarischen Leben dazu: Er steht bei mir mehrfach im Bücherregal, ich lese seine Beiträge zu Food und Drinks regelmäßig in Magazinen sowie in seinem Blog. Außerdem koche ich sehr gern seine Rezepte. Und wenn ich ihn mal wieder persönlich da treffe, wo es besonders lecker ist, freue ich mir immer ein Beinchen ab – denn zufällig ist er auch noch ein wahnsinnig sympathischer und kluger Typ.
Gerade eben ist wieder ein neues Buch von ihm erschienen. Dazu, zu seiner beeindruckenden Arbeitstaktung, zu Lieblingsorten, Lieblingsrezepten und Lieblingsmusik habe ich mit ihm geplaudert. Hier kommt das kleine Interview mit Stevan und – natürlich – auch ein paar Impressionen und ein einfaches, leckeres Rezept aus Blaue Stunde*:
Mel.: Mensch Stevan – gefühlt erscheint von dir alle drei Monate ein fantastisches neues kulinarisches Buch. Außerdem arbeitest du zusätzlich an Kochbüchern von anderen Menschen, veröffentlichst regelmäßig in Zeitungen und Magazinen, reist, bloggst … Wie machst du das? Gibt es bei dir im Schrank noch drei weitere Stevans oder haben Deine Tage 72 Stunden?
Stevan: Ich liebe meine Arbeit und bin dankbar, dass ich in diesem Leben das machen kann, was mich am meisten begeistert – Menschen für das Kochen, die Kulinarik und den Genuss zu begeistern. Dabei sind die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit fließend, ich trenne da nicht mehr. Und sicher auch ein nicht unwesentlicher Punkt: ich habe keine Kinder. Ich sehe es im Freundeskreis und mein Respekt gilt all jenen Menschen, die neben ihrer Arbeit noch ein bis vier Kinder großziehen. Da frage ich mich dann: wie machen die das?
Mel.: Gerade von dir erschienen: Blaue Stunde. Wie würdest du das Buch in drei bis vier Sätzen warm beschreiben? (Oder mehr – wenn nötig …).
Stevan: Eine Weltreise zur schönsten Stunde des Tages, zur Blauen Stunde, immer dem Sonnenuntergang hinterher, von Samoa bis Mexico. Für dieses Buch habe ich mich auf die Spur der Tresen- und Theken-Esskultur gemacht, die es in allen Ländern gibt. Und wie immer gibt es auch viel zu Lesen bei mir, Döntjes und Geschichten von meinen Reisen. Die atmosphärischen Fotos aus aller Welt kommen von der Berliner Fotografin Daniela Haug. Stylistin Meike Graf hat ebenfalls gezaubert für dieses Buch – Weltenküche ganz ohne Kitsch und Folklore inszeniert. Buchgestalterin war wieder Miriam Strobach von Le Foodink aus Wien, der ich stets blind vertraue. Tolles Team!
Mel.: Der Deutsche an sich liebt ja eine recht geregelte Taktung bei der Nahrungsaufnahme: Frühstück um sieben, Mittagessen um halb eins, Abendessen wieder um sieben. Danach auf der Couch eine Tüte Chips. Das gepflegte öffentliche Abhängen mit Drinks, Häppchen und offenem Ausgang ist da eher nicht ganz so populär. Möchtest du mit diesem Buch missionieren?
Stevan: In Zeiten von Selbstoptimierung durch kulinarische Selbstkasteiung, Verzicht und Einschränkungsgeboten überall, war es mir ein Anliegen, ein pralles, rundes Buch zu machen, eine Feier des Lebens! Die Blaue Stunde ist Genuss pur, gerne mit einem guten Wein oder Drink und sündhaft(!) leckeren Köstlichkeiten aus aller Welt! Ich verwende hier und da sogar Zucker! (lacht)
Mel.: Wenn man durch Blaue Stunde blättert, will man sich anschließend ja am liebsten direkt an den Herd werfen, ein paar Freunde anrufen und ein bis drei Flaschen Wein bereitstellen. Dein persönlicher Favorit – welches der Rezepte aus Baue Stunde sollte man dann unbedingt als erstes ausprobieren?
Stevan: Zur Zeit bin ich verliebt in die portugiesische Küche im Allgemeinen und ganz arg in Lissabon. Die Stadt wurde in den vergangenen Jahren vom Tourismus (wieder-) entdeckt, von mir selbst ziemlich spät, und heute ist Lissabon irre überlaufen. Ich empfehle kulinarischen Reisenden, die Stadt im Herbst und Winter zu besuchen, dann ist es einfacher einen Tisch zu bekommen. Und gegen Fernweh helfen die Rezepte aus dem Portugal-Kapitel!
Mel.: Du hast Deinen Lebensmittelpunkt auch in Hamburg. Wo in der Stadt kann man deiner Meinung nach am schönsten die Blaue Stunde genießen?
Stevan: Mit Aussicht an der Strandperle oder auf St. Pauli vor der Salt & Silver Zentrale. Vor dem Café Paris im Sommer! Persönlich gehe ich auch gerne in den Weinladen St. Pauli zur Blauen Stunde.
Mel.: Du hast passend zum Buch eine umfangreiche Playlist mit passender Musik zusammengestellt. Eine wirklich schöne Idee! Hast du eine kleine Bedienungsanleitung oder Tipps, wie man Musik beim Kochen und Essen zu Hause am besten einsetzt?
Stevan: Auch die Playlist ist eine Reise um die Welt, den Kapiteln im Buch folgend, dreieinhalb Stunden Musik. Gemeinsam ist allen Songs der Playlist diese typische Blaue Stunde -Entspanntheit, das kann man so durchhören. Das mag ich überhaupt in der Küche, entspannte Musik, Roots-Reggae oder Dub, Jazz oder Latin. Wenn es eilt, hilft ein bißchen Bass-lastiger Elektro! (lacht)
Mel.: Ich bin neugierig! Steht bereits ein neues Projekt an, für das wir schon mal ein bisschen Platz im Bücherregal freimachen sollten? Und verrätst du uns, welches spannende Thema Du dann am Wickel haben wirst?
Stevan: 2019 erscheint ein ganz besonderes Buch im Christian Brandstätter Verlag, es wird ziemlich umfangreich, groß und dick – und hoffentlich ein Standartwerk zum Thema Kochen: mit 400 Rezepten insgesamt, 100 davon fotografiert von Andrea Thode, Stylistin ist Tanja Trific. Auch konnten wir den Künstler und Illustrator Ralf Nietmann für unser Buch gewinnen. Erstmals dekliniere ich kein spezielles Thema durch, sondern werde selbst zum Koch und Kreateur, erzähle in diesem Buch auch genau, was ich in der Küche warum mache, wie Kochen funktioniert – und wie einfach es sein kann! Ich will Lust machen, aufs Kochen!
Mel.: Umfangreich, groß und dick klingt wundervoll. Ich bin sehr gespannt! Lieber Stevan, ganz lieben Dank für Deine Zeit!
Für alle, die jetzt am liebsten auch gleich mit dem Nachkochen starten wollen, habe ich ein portugiesisches Rezept aus Blaue Stunde mitgebracht. Das sagt Stevan dazu: „Ein herrliches „Resteessen“ aus dem Alentejo: Rigas (Brotkrumen), Brot vom Vortag, das mit Brühe, Zwiebeln und Knoblauch zunächst zu Brei gekocht und dann in der Pfanne zum „Omelette“ gebraten wird, serviert mit frischem Koriander. Den „Semmelknödel“ aus dem Alentejo aß ich erstmals im Städtchen Porto Cobo zusammen mit einem kalten Bier und einem Teller Caracóis, kleinen Schnecken in Knoblauchsud. Klasse!“
Das klingt doch super! Also los.
Und habt es lecker ღ
Das Rezept für Migas à Alentejana – portugiesisches Brot-Omelette
Zutaten für 4 Portionen:
300 g helles Sauerteigbrotvoder Maisbrot
2 Zwiebeln, gepellt & gehackt
2-3 Knoblauchzehen, gepellt 6 gehackt
5 EL Olivenöl plus Öl zumWeiterverarbeiten
1 TL edelsü.es Paprikapulver
Chili nach Geschmack
Salz
ca. 300–450 ml kräftige
Fleischbrühe (oder Gemüsebrühe)
3 Eier (M)
4 Zweige glatte Petersilie
1/2 Bund Koriander
Und so geht´s:
Das Brot im Mixer grob zerhacken oder mit den Händen fein zerkrümeln.
Öl in einer großen beschichteten Pfanne erhitzen und Zwiebeln sowie Knoblauch darin weich schmoren. Das Brot zugeben, mit Paprikapulver, einem Hauch Chili und Salz würzen.
Etwas von der Brühe zugeben und die Masse unter Rühren bei niedriger bis mittlerer Hitze zu einem teigartigen, etwas festeren und formbaren Brei köcheln. Sollte der Brotbrei am Anfang zu schnell zu trocken werden, einfach noch kleine Mengen Brühe nachgießen.
Wenn der Teig nach einigen Minuten deutlich eingedickt ist, in eine Schüssel geben, nacheinander die Eier zügig unterrühren und den Brei in einer geölten Auflaufform glatt streichen.
Im heißen Ofen bei 200 Grad auf der mittleren Schiene 15-20 Minuten backen. Herausnehmen und 10 Minuten ruhen lassen. Petersilie und Koriander hacken und über die Migas streuen.
Warm oder kalt in Stücke geschnitten servieren.
Das Feierabend-Kochbuch: Blaue Stunde.
Tapas, Antipasti, Mezze, Ceviche, Apéro und Cocktails
Stevan Paul
256 Seiten
Brandstätter Verlag
ISBN-10: 3710601975
ISBN-13: 978-3710601972
Fotocredit: Alle Bilder Daniela Haug/Brandstätter Verlag
Das hört sich sehr spannend, vielen Dank für das tolle Interview
Schönes Interview! Könnt ihr mir bitte zu den tollen Fotos aus Portugal (Lissabon?) sagen, wo sie gemacht sind (welches Restaurant/Bar?)