Mitten in meinem Hamburger Lieblings-Dörfli Ottensen liegt das Restaurant „Goldene Gans” und lockt mit exquisitem Speis und Trank. Und letzten Dienstag gab es dort nicht nur Köstlichkeiten für den Gaumen, sondern auch was Leckeres auf die Ohren: Stevan Paul hat drei entzückende Geschichten aus seinem neuen, im September erscheinenden Buch „Schlaraffenland” gelesen. Die vierte Geschichte war ein lieber alter Bekannter aus seinem Erstlingswerk „Monsieur, der Hummer und ich”. Zu den Erzählungen hat die Küche ein korrespondierendes Menü entwickelt; besser kann so ein Dienstag doch fast gar nicht mehr werden. Klar, dass wir dabei waren.
Während Stevan Paul (der im richtigen Leben ja eigentlich ein großartiger Foodblogger, toller Koch und mein persönlicher Lieblings-Foodstylist ist) vorn am kleinen Ecktisch sein komödiantisches Talent entfaltet, köstlich in fremdländischen Akzenten und mit eindeutig verteilten Rollen liest, lauschen wir hingebungsvoll und nippen an unserem rosa Crémant.
Ich amüsiere mich prächtig und das Glas ist mal wieder überraschend schnell leer. Wir lieben es rosa und steigen daher freudig auf die Weinempfehlung des Abends um: 2011´er Müller Catoir, Spätburgunder Rosé, Kabinett trocken, Weingut Haardt, Pfalz. Der gute Tropfen ist zunächst tatsächlich ein bißchen störrisch auf der Zunge und ich denke spontan „Rosa Retsina für 8,50 Euro das Glas – merkwürdig”.
Die Irritation hält nicht lange, das Ambiente ist so nett, Madame Gans thront höchstpersönlich und gülden auf einem Regalbrett über der Bar und die Menschen lauschen andächtig. Gabi lächelt in unserem gemeinsamen Blankenese-Blüschen auf dem Stuhl gegenüber.
Die erste Geschichte ist zu Ende. Nach diesen äußerst humorigen Einblicken in das Spannungsfeld zwischen deutschen Schrebergartensiedlungen und griechischen Charmeuren am Grill gibt es verdienten Applaus und den passenden ersten Gang:
Gebeizter Lammrücken mit gratiniertem Schafskäse, Ofengemüse und Röstbrot
Rückblickend ist das mein absoluter Lieblingsgang. Da stimmt einfach alles: Das gebeizte Lamm kuschelt in zarten Schuppen auf dem Ofengemüse mit leicht geschmolzenem Schafskäse. Darunter bildet das knusprige Röstbrot eine perfekte kleine Liege. Dazu ein bißchen Pesto und äußerst aromatische Oliven – ach, könnte ich mich doch nur noch davon ernähren! Jetzt hat übrigens der Wein auch seinen großen Auftritt: Gar nicht mehr harzig und spröde umschmeichelt er geradezu unfassbar gut die Vorspeise und lässt sie noch ein bißchen großartiger schmecken (Mann, Mann, Mann – dabei bin ich noch fast gar nicht betrunken.)
Die Teller werden abgeräumt und Stevan beginnt mit der zweiten Geschichte. Es geht um Berufungen in Kantinen, eine ostalgische DDR-Vergangenheit und Sushi-Outlets. Die Erzähung ist voller Tempo und ich habe das bestimmte Gefühl, dass alle Anwesenden die Protagonistin leibhaftig vor sich sehen. Zum Schluss haben alle dann großes Verlangen nach Borschtsch-Soljanka. Gott sei Dank kommt da auch schon die kulinarische Interpration á la Goldene Gans:
Rote Beete Suppe mit Tafelspitz vom US-Beef und Sauerrahm-Dill-Espuma
Ein leckeres Süppchen mit überaus zarter Tafelspitz-Einlage. Die Sauerrahm-Dill-Espuma im knusprigen Wan-Tan-Schüsselchen macht sich ganz prima dazu. Alles in allem sehr würzig und aromatisch – vielleicht eine winzige Spur zu salzig.
Aber es geht schon weiter: Stevan liest von dem Bezwinger der Meere, von Fischfilets, die direkt am Strand mit Scampisoße zubereitet werden. Vor uns entstehen Urlaubsstrände, wie sie nur sein konnten, als wir Kinder waren und kurz produzieren sich erneut Bademeister in grün gekachelten Schwimmbädern. Für einen Augenblick sind wir alle wieder 8 Jahre alt und spielen im Meer mit einem gelben Delial-Wasserball.
Zeit zum Erwachsenwerden! Der nächste Gang wird serviert:
Gebratenes Wolfsbarschfilet mit confierten Tomaten, Salsa Verde und Kichererbsenpüree
Der Fisch kommt mit einer knusprigen goldbraunen Haut. Die Tomaten und ein Schaumsößchen begleiten ihn adrett. Die Salsa Verde ist eine absolute Wucht! Wo kann ich schnell ein Monatsgehalt gegen ein Gläschen davon eintauschen? Das Kichererbsenpüree glänzt dagegen eher durch vornehme Sparsamkeit. Egal – Hauptsache, die Salsa Verde ist noch da.
Stevan ist auch übrigens auch wieder da und entführt uns mit seiner letzten Geschichte in eine weit zurückliegende Zeit. Es geht um Salamander, unheimliche Häuser, deren marode Fensterläden in kleinen Spänen auf den Rasen regnen und um eine wunderbar heile Welt, die durch einen einzigen Moment einen entscheidenden, immer währenden Riss bekommt. Diesen Riss, der in einem kleinen versteckten Winkel in jedem von uns sitzt, der unauffällig aber unvermeidlich lauert und wartet und immer da sein wird, egal wie alt wir auch werden.
Gott sei Dank können wir uns nach dieser Geschichte direkt mit etwas Süßem trösten und alle Risse kitten:
Gebackene Milchreis-Praline mit Bombeersorbet und grüner Schokoladensoße
Die Milchreis-Praline ist mächtig, in knusprige japanische Semmelbrösel gehüllt und frittiert. Auf ihr schmilzt das zarteste und köstlichste Sorbet, dass ich je gegessen habe! Was für eine unglaubliche Textur – das ganze sieht eher aus wie ein bordeauxrotes Samtbällchen und schmeckt überaus fruchtig. Die grüne Schokoladensoße versteht sich als Dekotupfer. Kann man jemals genug Schokoladensoße auf dem Teller haben? Ich glaube nicht.
Stevan signiert noch schnell ein paar Bücher …
… und dann winkt es plötzlich von der anderen Raumseite: Elli ist auch da, kommt herübergesaust und will nur mal schnell Guten Abend sagen. Das macht sie dann auch und wir plaudern ein bißchen. Gruppenbildalarm!
Von links nach rechts:
Elliane Muller (Elli kocht), ich und Stevan Paul (NutriCulinary oder Stevan Paul).
Für alle aus Hamburg und Umgebung:
Mit Elli kann man übrigens auch tolle kullinarische Abenteuer daheim und unterwegs erleben. Zum Beispiel mit elliKOCHT im Hinterhof am 23.06. Anmeldungen über facebook. Oder bucht doch eines ihrer berühmten Junggesellen/Innen-Kochevents!
Buchtipps für alle Foodies und Lesebegeisterte:
Im Handel: Monsieur, der Hummer und ich, Stevan Paul
Als Vorbestellung: Schlaraffenland, Stevan Paul
Danke Gabi, danke Stevan und Danke Du Goldene Gans für den Abend!
Schön war´s! *hicks*
Goldene Gans
Rothestraße 70
22765 Hamburg
Reservierungen unter:
+40 (0)40/ 39 909 878
Das sieht ja herrlich illuster aus – für Gaumen und Ohren und mit freundlichen Zeitgenossen.
Hallo Micha, eigentlich war alles ganz gesittet – bis auf die Tatsache, dass ich angeblich auf dem Nachhauseweg laut gesungen hätte (hat zumindest Gabi behauptet) ;-)
Und ein weiteres mal bedaure ich, nicht in HH zu leben.
*sigh*
Meine Liebe, wenn man in der lauten Stadt wohnt – ohne Garten in dem man mal eben (ich zitiere) Salat ernten kann und deutlich mehr als einen Steinwurf vom Waldrand entfernt – dann braucht an solche Ablenkungen einfach ab und an. Sonst wird man ja wahnsinnig, ne. ;-)
Achja, stimmt ja, ich bin ein Landei.
Vielleicht einfach maln Hubschrauberschein machen…
Ich als Gönner neige ja nicht zum Neid. Aber manchmal… Naja. Ich geh mal auf die Dachterasse, blicke in Richtung Wald und reg mich wieder ab ;-)
Etwa in Richtung des Waldes, der ebenfalls nur einen Steinwurf entfernt ist? Daran tust Du gut – und ICH bin jetzt neidisch … ;-)
Anyway – klingt auf jeden Fall nach nem Knallerabend, aber bei der Teilnehmerliste auch einfach nicht anders zu erwarten ;-)
Sehr schöner Bericht, vielen Dank. Ich wäre auch sehr gerne dabei gewesen, aber zu weit, zu weit… So konnte ich es aus der Ferne ein bißchen mit-erleben.
Danke für den schönen Artikel und die schönen Photos.
Es hat uns sehr viel Spaß mit euch gemacht.
Eure Goldene Gans
Komme gerade aus Paris zurück und bin doch tatsächlich ein wenig traurig, stattdessen nicht im goldenen Gänsehamburg gewesen zu sein. KANN DAS SEIN? Dein Bericht liest sich jedenfalls sehr schön und eine wahrhaft tolle Idee von Stevan P. Buchkauf ist Ehrensache. Liebe Grüße