Der Mann erbleicht um ein bis drei Nuancen und dreht sich mit einem Ruck zu mir um. „Geröstete Knochen???? Im ERNST???” Er sieht von einer Sekunde auf die andere sehr unglücklich aus. Dabei hatte unser Gespräch doch so schön angefangen. Ich besuchte ihn gerade in seinem Arbeitszimmer und lümmelte mit einer schönen Tasse Kaffee in der Hand gemütlich auf dem Sofa. „Was riecht denn hier so großartig?”, wollte der Mann irgendwann wissen und schnupperte wonnevoll.
Und jetzt schaut er mich an und püft, ob ich ihn vielleicht nur erschrecken will. Will ich aber gar nicht. Denn im Ofen rösten gerade Rinderknochen vor sich hin. Und tatsächlich riecht das ganze alles andere als unappetitlich.
„Es ist nur gut und richtig, mehr von einem Tier zu verwenden, als ausschließlich Steaks und Filet – wenn man es schon isst”, werbe ich für den Stein des Anstoßes in meinem Ofen. „Tatsächlich?!”, der Mann lässt mit seinem Einwurf keinen Zweifel daran, dass er jetzt und sofort ein Plakat malen und für sein uneingeschränktes Recht demonstrieren will: Steaks only!
Und ich kann ihn sogar ganz gut verstehen. Solange ich die Teile in einem neutralen Plastiktütchen vom Metzger nach Hause getragen habe, war ich auch sehr mutig und zuversichtlich. Aber nach dem Auspacken war auch mir etwas flatterhaft ums Herz: Große Knochen sind etwas wahnsinnig Ursprüngliches und Direktes. Sie erinnern so intensiv an – jetzt bitte nicht lachen – das Tier. Sowas hat man nicht so oft vor sich, wenn man ein durchschnittlicher, erwachsener Großstädter mit profunder Supermarkterfahrung ist. Aber ich bin entschlossen, mich der Angelegenheit zu stellen.
„Was hast Du denn mit den Knochen vor?” Der Mann interessiert sich. „In Wasser kochen”, sage ich. „Ahhh … New York?”, fragt der Mann. „Exakt”, sage ich. „Broth?”, will er wissen. „Genau”, bestätige ich. „Echte Brühe”.
Denn in New York stellt sich derzeit niemand mehr für Kaffee-Tüdelü wie Double-Choc-Decaf-Semi-Skin-Caramell-Machiato oder Ramen-Burger an. Der neue heiße Scheiß aus dem Zentrum des weltweiten Trendsetting heißt: Broth. Und alle wollen sie, die hausgemachte Brühe.
Der angesagteste Laden in New York heißt schlicht Brodo und klemmt mit seinem winzigen Verkaufsfensterchen an der Ecke 1st Avenue/12th Street. Hier werden jeden Tag drei verschiedene hausgemachte (Bio-)Brühen und eine vegetarische Suppe angeboten. Zischen $ 4,50 und $ 8,50 zahlt der New Yorker „Broth-er” für seinen Becher Brühe to go. Manche holen sich ihre Tagesration sogar in der Thermoskanne ab.
Picking up a cup of bone broth at Brodo’s to-go window. Come visit, @stubone #onlyintheeastvillage pic.twitter.com/uywkftOE55
— blairtl (@blairtl) 25. Januar 2015
Full tank of gas @brodoNYC , ready to roll! pic.twitter.com/PP9fk3nKQ3 — Wylie Dufresne (@wyliedufresne) 16. Januar 2015
We do not deliver. We do not ship. We do open at noon. We do have to-go jars of brodo. See you soon!
— Brodo NYC (@brodoNYC) 20. Januar 2015
.@MarcoCanora on his golden bowls of bone broth, and eating like you give a damn: https://t.co/1U9jRK2hu8 pic.twitter.com/nzvmoRC5NP — FoodRepublic.com (@foodrepublic) 20. Januar 2015
Aber was ist denn eigentlich so hot an einem Becher Brühe? Und wieso stehen alle plötzlich nicht mehr auf den morgendlichen veganen Grünen Smoothie sondern wollen Brühe vom Tier? Eigentlich ist alles wie immer: Brühe kann nämlich was, was andere Lebensmittel nicht können.
Die über Stunden gekochte Brühe löst Bestandteile aus den Knochen, die viele positive gesundheitliche Effekte haben sollen. Collagen ist zum Beispiel etwas, dass sich einige von uns gern ins Gesicht applizieren, um den beginnenden Zeichen der Hautalterung entgegenzuwirken. Collagen von innen wirkt dagegen gleich an der Quelle, meinen viele.
Aber vor allem bietet die echte Brühe eines: echten Geschmack. Nach dem Genuss von Broth stellt sich ein großes Wohlbefinden ein. Soul-Food aus dem Becher eben – und so gar nicht zu vergleichen mit salzigen Pülverchen aus dem Glas voller Aromastoffe und Geschmacksverstärker. Und ebenfalls nicht zu vergleichen mit teuren, ebenfalls aromatisierten Fonds aus dem Glas.
Abnehmwillige berichten sogar über äußerst positive Effekte durch Broth: Heißhungerattacken treten so gut wie nicht mehr auf. Und wird der nachmittägliche Jeeper nach einem Snickers überwältigen groß – ein Becherchen befriedigende Broth drauf und – ZACK! – alles ist wieder gut. Sicherlich hat der Boom der Paleo-Diät auch ihr Teilchen dazu beigetragen, dass Brühe mit Tier erstaunlich salonfähig geworden ist.
Übrigens setzt die gute (vor allem französische) Küche seit jeher auf die hausgemachte Brühe. Kein gutes Essen ohne gute Brühe lautet die einfache Formel. Bei Arthurs Tochter kann man auch amüsant viel zur Brüheherstellung lesen.
Also: Ich koche jetzt auch Brühe. Die Zutatenliste ist mehr als überschaubar. Und eigentlich ist alles auch so einfach und so lecker, dass mach sich fragt, warum man das nicht schon immer gemacht hat. Echt.
Hier kommt das Rezept für ca. 4 Liter köstliche, hausgemachte Brühe bzw. Broth
1 kg gemischte Knochen (Sand-, Fleisch- und Markknochen) vom Metzger des Vertrauens in eine Schüssel legen und mit kochendem Wasser übergießen. Nach 10 Sekunden das Wasser abgießen.
1 Bund Suppengrün (Möhren, Sellerie, das weiße vom Lauch) und 3 Zwiebeln putzen und in grobe Stücke schneiden.
Die Knochen und das Gemüse in eine ofenfeste Form geben und bei 200 °C 45 Minuten im Backofen rösten. Durch das Rösten bekommt die Brühe später eine schöne Farbe und Geschmack. Aus dem Ofen holen und abkühlen lassen.
Knochen und Gemüse in einen großen Topf geben und 4–5 Liter kaltes Wasser angiessen. Das Grüne vom Lauch und 3 Lorbeerblätter zugeben und aufkochen. Wer einen Extra-Kick Umami-Geschmack schätzt, wirft noch 1–2 getrocknete Tomaten oder ein paar getrocknete Pilze in den Topf. Salzen sollte man erst später. Sollte sich Schaum bilden, diesen mit einem (Schaum-)Löffel abheben und wegwerfen.
Die Brühe für mindestens 2 Stunden auf kleiner Flamme köcheln lassen. Je länger, desto besser – wer sich 4 Stunden Zeit nimmt soll mit umwerfenden Ergebnissen belohnt werden. Aber auch die Zubereitung im Schnellkochtopf klappt großartig (siehe Tipp unten).
Nach der Kochzeit ein feines Sieb mit einen Seihtuch (hab ich nicht) oder 2 Lagen Küchenkrepp (klappt prima!) auslegen und die Brühe dadurch abgiessen.
Die Brühe vorsichtig mit Salz abschmecken.
Tipps:
Ich habe die Brühe parallel in einem normalen Topf (Kochzeit 4 Stunden) und im Schnellkochtopf (Kochzeit 45 Minuten) zubereitet. Beide Ergebnisse waren überaus schmackhaft – die 4-Stunden-Brühe war etwas süßlicher, aber lustiger Weise auch viel fettiger. Die Brühe aus dem Schnellkochtopf hatte ein sehr volles und ausgewogenes Aroma – beim nächsten Mal „Broth-en” würde ich nur den Schnellkochtopf verwenden.
Den kochend heißen Fond in saubere, sehr heiß ausgespülte Twist-off-Gläser füllen, den Deckel schließen, die Gläser auf den Kopf stellen und abkühlen lassen. So hält sich der Fond mehrere Wochen.
Oder:
Die Brühe abkühlen lassen und in Eiswürfelförmchen oder geeigneten Dosen einfrieren.
Höchst befremdlich anstatt Kaffee Brühe zu trinken, aber ich kann schon sehen, warum es so einen Hype darum gibt. Selbstgemachte Brühen sind mir bisher noch nie so richtig gelungen, daher werde ich jetzt mal dein Rezept testen!
Ich lasse meine Knochen sogar bis zu 24 Stunden köcheln. Je länger sie kochen, desto besser werden die ganzen wertvollen Stoffe wie z.B. die Aminosäure Glycin freigesetzt. Da lohnt sich dann natürlich eine größere Portion. Brühe lässt sich ja auch wunderbar einfrieren.
Schon im alten Kochbuch meiner Uroma steht, dass die Brühe der zum zweiten Mal ausgekochten Knochen am besten ist – ist auch so, da sind die besten Stoffe drin.
Ich freu mich über diesen sinnvollen Trend.
Liebe Grüße
Franziska
Heißer Scheiß, wohl wahr! :)
Wobei mich das daran erinnert, dass ich den sehr alten Beitrag von mir mal mit neuen Bildern aufhübschen und auch die ein oder andere Rezeptur ergänzen könnte.
Beim nächsten Brühekochen mache ich mal das Küchenfenster weit auf, vielleicht stellt sich auch jemand mit ner Thermoskanne davor an :)
ach, und weißt Du wie ich sie mittlerweile oft einfriere? Ich halbiere mir die schmalen Tetrapack-Milchtüten, spüle den unteren Teil aus und lege ihn mit einem kleinen Gefrierbeutel aus. Den befülle ich mit der Brühe, Suppe, wasauchimmer. Tiefgefroren entnehme ich die Beutel der Tetraform und stapel mir so perfekt rechteckige Klötze im Tiefkühlfach. Sehr platzsparend und auch zum Gefrierfach-Tetris geeignet.
Das ist SO PRAKTISCH! Ich bin beindruckt von den Arthurschen Upcyclingmaßnahmen und gelobe Nachahmung!
seit kurzem spuckt unser büro kaffeeautomat brühe aus. nur leider hat sich noch niemand getraut die chemiekeule zu testen – aber wir sind quasi trendsetter ;-)
spass beiseite – sieht top aus – und den AT tipp mit den tetrapaks habe ich mittlerweile auch verinnerlicht.
Ein klasse Artikel über den “heißen Scheiß”! Bewährte Tradition gar nicht mal soo “neu” verpackt ;-)
Einfach “back to the roots”, es lebe das Food-Marketing!
Den Tipp mit dem Schnellkochtopf kannte ich noch nicht, eine Idee die ich im Sommer mal ausprobieren werde. Im Winter lasse ich die Brühe als Soul-Duft gerne über Stunden durch die Wohnung wabern ;-)
Für alle, für die jetzt Kaffee trinken plötzlich “out” geworden ist, hier ein Tipp:
Was man mit übriggebliebenen Kaffeepulver/-bohnen sonst so alles ausser Kaffee und Desserts kochen kann, seht ihr ganz aktuell auf meinem Blog zum Trend Thema Food Pairing:
Kochen mit Kaffee: Geschmackserlebnisse mit Röstaromen
Kulinarische Grüße und bleibt neugierig
Cookinator
Liebe Mel – kannte den Trend zwar auch schon, die Nachkochlust hat sich aber erst mit deinem Artikel (der mich auch wunderbar zum Lachen brachte) eingestellt. Aber egal wir hot der Stuff ist. Kaffee wird er bei mir nicht vom Thron stoßen. ;)
Ich mag selbstgekochte Brühe auch total gerne, überlasse den aktiven Part aber bisher meiner Mutter ;)! Vielleicht versuche ich mich ja aber demnächst auch mal dran…
Liebe Mel, Brühe ist so etwas Feines. Es geht nix über eine wunderbare Hühnerbrühe wenn man erkältet ist – für mich besser als jegliche Medizin in Tablettenform. Schon als Kind habe ich total gerne nur Brühe (ohne alles) einfach nur so getrunken. Oft gab es dann meistens Brühreis oder Brühnudeln. Danke, dass du mich erinnert hast. Ich muss wirklich wieder mehr Brühe selber kochen.
Und der Tipp von Astrid ist ja genial mit den rechteckigen Beuteln :-) Danke
Liebe Grüße, Franzi
…habs gelesen und direkt bei meinem Metzger telefonisch Knochen bestellt. Freu mich jetzt sehr, sehr, sehr, dass die in zwei Tagen dort abholbereit sind. Ich freue mich auf Knochen!? Was ist denn hier bitte los…:)???
Das verstehe ich SOOO gut, Juliane. Knochen. WAT? Aber es ist eine wirklich gute Sache. Enjoy!
Hab ich´s doch gewusst :-) Brühe ist mein todsicheres Rezept gegen einen fiesen Kater. Bisher kam ich mir alerdings mit einer heißen Tasse Fleischbrühe am Frühstückstisch ein Bisschen komisch vor – jetzt kann ich behaupten, ich liege im Trend!
Ein sehr gut geschriebener Artikel :-) Daumen hoch!
Trotzdem verstehe ich die Ami’s nicht :D Erst hypen sie alle auf dem vegan- und Rohkost-Tripp rum und verpönen Fleisch ohne Ende und nun stehen sie mit Thermoskannen vor einem kleinen Lädchen und wollen Brühe aus Knochen? Ist ja grandios geil :D
Mama und Oma wussten schon immer das selbstgemachte Brühen durch nichts zu ersetzen sind :-)
Was ich empfehlen kann sind die französischen Gerichte von Julia Child (sie schwörte eh und je auf selbstgemachte Brühen :))
(Toller Film zum Kochbuch und Leben von Julia Child –> Julie & Julia (Film 2009).
Mach weiter so, toller Blog – bin seit heute Fan :) Nehme mir ein Beispiel an deinem tollen Blog :) Meiner ist noch recht jung :P
Allerliebst aus Nürnberg
Swenja
Ich habe mal eine Frage: warum muss man die Knochen vor dem “Backen” mit kochendem Wasser übergießen.. Und: toller Artikel, by the way.. :)