Ach ja, Halloween. Anfangs sind wir nicht so richtig miteinander warm geworden, das amerikanische Verkleidungsfest, der Kulturimperialismus und ich. Vor einigen Jahren (und zwar mehr, als ich hier zuzugeben bereit bin) platzte Halloween ziemlich unangemeldet in mein Leben. Damals war ich ein hart arbeitendes Single-Frollein mit einer ausgesprochen lebendigen Freizeitgestaltung. Nächte wurden zu Tagen, Schlaf war ziemlich nebensächlich und Energie schier endlos vorhanden. Hin und wieder gab es aber natürlich auch diese wichtigen, häuslichen Rückzugsmomente, an denen ich nur mal für mich in der Badewanne dümpeln wollte. Mit viel Schaum, der brandneuen Ausgabe einer gewissen Frauenzeitschrift und einem Glas rosa Bubbelbrause.
Und genau so war das damals: Ich hatte mich gerade in meiner 2-Zimmer-Altbauwohnung mit Badewanne zu Wasser gelassen, entspannte in einem Meer von Schaumbergen und griff zum Frauentitel, als es an der Tür klingelte. Irritiert überlegte ich. Erwartete ich jemanden? Nein, ausgeschlossen. Wahrscheinlich nur ein Klingelstreich. Gerade wollte ich mich wieder in die Doppelseite mit Must-have-Clutches vertiefen, als es erneut klingelte. Ääääääääääääääääääääät. Lange. Beharrlich. Penetrant. Ääääääääääät. Ääääääääääät. Äääääääääät-ääät. Noch nie war mir aufgefallen, was für einen schrecklichen Klingelton mein Vermieter da ausgesucht hatte. Aber wahrscheinlich hatte er den gar nicht ausgesucht, sondern ein namenloser Elektriker. Und zwar mit der Maßgabe, etwas möglichst Günstiges zu verbauen. Günstige Klingelanlagen – schrecklich! Äääääääääääääääät.
Was zum Teufel … ? Oder besser: Wer wagt es …? Widerwillig stemmte ich mich aus der Wanne, angelte nach dem Badetuch, wickelte mich notdürftig darin ein und stapfte mit sehr finsteren Gedanken durch den langen Flur Richtung Tür. Ääääääääääääääät. Das Wasser lief an meinen Beinen hinunter und bildete kleine Pfützen auf den Holdielen. Na prima. Ich erreichte die Tür, riss sie mit einem Ruck auf und blicke … ins Nichts. Es röchelte. Dann fiel mein Blick einen knappen Meter nach unten.
Vor meiner Tür stand ein 1,20 Meter großer Darth Vader und röchelte. Kurz überlegte ich, ob Kai Pflaume und Kurt Felix jetzt aus der Tür meiner Nachbarn springen und sich die Nation an den Bildschirmen über mich beömmeln würde. Ich raffte krampfhaft mein Badetuch. Aber nichts dergleichen passierte. Stattdessen röchelte Mini-Darth Vader demonstrativ weiter und streckte mir etwas entgegen. Es war kein Laserschwert, sondern eine Plastiktüte. Ich starrte. Mini-Vader starrte zurück. Die Plastiktüte wurde noch ein Stück weiter gehoben und schwebte anklagend vor meinem Brustbein. Darth Vader gab auf und beschloss, dieser offenbar total tumben Frau mit Pfützen an den Beinen etwas auf die Sprünge zu helfen. Hüüüßichkeiten, kam es hinter dem Plastikhelm hervor. Dann, irgendwann, nach gefühlten endlosen Sekunden, fiel bei mir der Groschen. Halloween.
Ich kann wirklich von Glück sagen, dass ich irgendwann mit dem Mann zusammengezogen bin. Unter anderen, weil der Mann mich rechtzeitig auf Halloween-Situationen aufmerksam macht. Er schleppt nämlich – aus mir unerklärlicher Nachbarskinderfreundlichkeit – glucosesiruphaltige Unglaublichkeiten en gros und en detail in allen möglichen und unmöglichen Färbungen nach Hause. Wenn plötzlich viele Tüten mit seltsamen Süßigkeiten auf dem Küchentisch auftauchten, weiß ich Bescheid. Wann ist Halloween, frage ich den Mann. Morgen, antwortet der Mann und schiebt sich schon mal ein neongrünes Spinnendings in den Mund.
Irgendwann wurde unser Sohn geboren. Von da an gab es kein Entrinnen mehr. Schon in der ansonsten religionsneutralen Kita wurde Halloween gefeiert. Wahrscheinlich als Ersatz für die fehlenden Weihnachtslieder oder so. Inzwischen ist das Kind so groß, dass es sich sehr beharrlich wünscht, mit Papa um die Häuser zu ziehen und die Nachbarn aus ihren Badewannen zu klingeln. Ich denke, das ist ausgleichende Gerechtigkeit. Der ewige Kreislauf des Halloween, das auch in unserer Familie nun voll angekommen ist.
Im Moment sieht auf unserem Balkon übrigens ein 20,– Euro teurer Muskatkürbis mit Gesicht seinem Gammeltod entgegegen. Das Kind hatte im allerletzten Moment dann doch noch den Wunsch geäußert, einen Halloweenkürbis mit Illumination besitzen zu müssen. Müssen mit großem M. Günstige Halloweenkürbisse waren selbstverständlich aus, als der Mann und das Kind sich 10 Minuten vor Ladenschluss im Supermarkt einfanden. Also packten sie ersatzweise einen Muskatkürbis ein und warfen ihn mir zur kunstgerechten Behandlung auf den Wohnzimmertisch. Als ich hörte, was das Dingen gekostet hat, hatte ich eine neuerliche, ganz persönliche Halloween-Erfahrung der dritten Art.
Und während die beiden später draußen als Gevatter Tod und sein treulicher Wächter in den unendlichen Weiten der Nachbarschaft reichlich Beute machten, verpasste ich dem Kürbis Dreiecksaugen, Säbelzahnmund und ein neues Innenleben aus Teelichtern.
Das Kind liebt seinen Kürbis. Ich bin schon sehr gespannt, ob und wie wir es schaffen, ihn vor Ostern wieder vom Balkon holen zu dürfen …
Spätestens wenn er in knapp einer Woche so aussieht: https://www.feeistmeinname.de/2010/10/carl-ist-tot-lang-lebe-carl.html und Tiere aus ihm herauslaufen, wird auch dein Sohn vermutlich ein Einsehen haben… :)!
Fee, bei uns ist es heute schon so weit. Er schimmelt zwar nicht so ganz farbenfroh und prächtig wie bei Dir – aber trotzdem ist jetzt eindeutig Auszugszeit. Vati wird sich gleich mal ganz unauffällig auf eine gewissen Geheim-Mission machen …
Liebe Mel,
toller Text, vielen Dank, ich hatte sehr viel Spaß beim Lesen! Ich drücke mich momentan noch erfolgreich vor Halloween und überlasse dem Mann das den-Geistern-die-grooooooße-Süßigkeitenschüssel vor die Nase halten (muss irgendwie in den männlichen Genen liegen ^^) – freue mich aber jetzt schon, wenn ich irgendwann riesige Muskatkürbisse (das mit den 20€ hätte ebenfalls mein Holder sein können) mit Fratzen versehen darf.
<3-liche Grüße und ein schönes Wochenende,
Kristina
wunderbarer text, mel! ich habe schallend gelacht!
danke!
lg bine
Toller Text, habe schallend gelacht und ihn dem Mann vorgelesen. Wir richten uns darauf ein, dass wir in ein paar Jahren auch zu Schnitzkünstlern werden müssen. Bis dahin hört sich das Szenario mit Badewanne, Schaum und Sekt deutlich verlockender an ;-)